24 August 2013

18. Eierkuchenfest in Kunitz

Deutschland im Sommer ist ein Traumland, wenn es nicht regnet. Die Hotels der sehenswerten Städte sind unerschwinglich für mein Rentner-Salär. Doch für mein WoMo, die Walkuh, gibt es zahlreiche Stellplätze, die wenig oder nichts kosten.


Nach 16 Tagen mit Frau und Kleinkind reicht es mir auf der Campinginsel Bug bei Bamberg. Die Rechnung ist mit 325 Euro dem erholsamen Ambiente angemessen. Der Stromverbrauch von bald 50 KWatt-Stunden ist vornehmlich dem Kühlschrank geschuldet. Bei den Preisen arbeitet der Absorber-Kühlschrank billiger mit Gas als mit Strom.


Auf dem Platz in Bug tummelten sich die ulkigsten Wohnwagen, Wohnanhänger und Wohnmobile.


Etwa einen Meter über dem Rasen speist der Herr auf der Laderampe seines speziell angefertigten LKW-Wohnmobil, den Auspuff seines Motorrads hinter sich.


In der Ruhe meiner Einsamkeit geht die Reise von Bamberg aus weiter, Richtung Nord-Ost. Die erste Station ist  nach 16 Kilometern erreicht: Das zauberhafte, kleine Baunach. Neben einem freien Stellplatz lockt mich dort ein Badetümpel. Ein Reiher rastet im Schilf. Zwei Schwäne im See machen mir Platz, eine weite Runde im warmen Wasser zu schwimmen.
  
 
Nach der ruhigen Nacht in Baunach reichen mir am nächsten Tag gerade mal wieder 50 Kilometer, um Coburg zu erreichen. Auch dort gibt es wieder einen freien Stellplatz. Hof und Coburg, meint ein Kabarettist, seien Orte, die selbst die DDR nicht wollte. Die Menschen in Franken sind ein lustiges Völkchen. So meint ein Kabarettist zur Arbeit in Franken: "Arbeit kann man vortäuschen, aber faul muss man schon selber sein."
 
 
Coburg: Beim Aufstieg durch den weitläufigen Hofgarten zur Festung "Veste" ist dies Reiterstandbild von Ernst, dem Ersten, nicht zu übersehen. Burgen, Kirchen und Kongresshallen beweisen, dass die Menschen genug zu schaffen haben, um den Größenwahn ihrer Eliten zu befriedigen.
 
 
Bis 1945 residierte noch der Hausherr auf dem Anwesen, obgleich er seiner adeligen Titel schon nach dem mörderischen Gemetzel des 1. Weltkriegs verlustig ward. Mittlerweile zahlt der Steuerzahler den Unterhalt des steinernen Bollwerks. Beamte der Bayerischen Schlösser- und Burgenverwaltung verbringen ihr Berufsleben damit, diese schwere Last zu stemmen.
 
 
Hinter solchen Mauern lässt es sich - abseits vom Kriegs- und Not-Getümmel der Zeiten - durchaus geruhsam leben.
 
 
Nachdem die Eliten, Adlige, Junker und Großgrundbesitzer nach der Kapitulation des Deutschen Reiches 1918 schon einen Teil ihrer Pfründe verloren hatten wie der Kaiser seine Krone, blieb ihnen immer noch genug, mehr als genug. Hinter den Mauern der Burg Veste feierte man dann in frommen Gedenken an das verheizte Humankapital, welches in der Blutpumpe von Verdun in langjährigem Stellungskrieg elend krepiert war.
 
 
Doch die Besucher der Burg scherte das kaum. Wer immer auch Blut an den Händen hatte, wusch sich in diesem bescheidenen Badezimmer als Gast auf der Burg rein.
 
 
Die Wände des Raucherzimmers schmücken Holzeinlegearbeiten, deren Bildersprache kurzweilig die Gesellschaft unterhielt.
 
 
Wenn nicht gerade sich im Krieg die Eliten des abgeschriebenen Humankapitals per massenmörderischer Schlächterei entledigten, gefiel man sich als Großwildjäger. Mit Trophäen schmücken die Kopfjäger ihre Wände nach alt archaischem Brauch,
 

 Weit schweift der Blick von den Zinnen der Burg über das blühende Land.
 
 
Der Künstler, der mit diesem Pamphlet Papst und Papstkirche verspottete, büßte seinen Angriff auf die Autoritäten auf dem Scheiterhaufen.
 
 
Das Rathaus in Coburg steht auf dem Marktplatz, wo Rathäuser meistens zu stehen pflegen. Vom Marktplatz aus sind Amtstuben leichter zu erreichen, weil man sich nicht wie bei der Burganlage Veste erst in einem halbstündigen Fußmarsch auf die Höhe schleppen muss.
 
 
Die Abendsonne zeichnet leuchtende Farbe. Es ist überall das Gleich: Kaum ein Marktplatz ohne Standbild.
 
 
Auch reiche Bürger haben sich zauberhafte Wohnhäuser bauen lassen. Die neoliberale Umverteilung lässt wieder feudale Strukturen entstehen. Das Drittel, welches als Prekariat abgehängt ist, entfällt für die politische Willensbildung.
 
 
Es gibt sie ja immer noch die Gestalten mit adligem Namen und unermesslichen Ländereien. Die Macht des Reichtums ist vielen geblieben, während andere ihre Titel ohne Mittel beklagen.
 
 
 Die nächste Station ist Erfurt. Der Dom hat die Jahrhunderte gut überstanden hat.
 
 
Die Ruhe in den sakralen Hallen hebt sich erholsam gegen das Getriebe in der Stadt ab.
 
 
Die Baumeister haben sich und ihren Herrschern ein Denkmal gesetzt.
 
 
Obgleich mir manchmal schon noch der Sinn danach steht, eine barocke Predigt zur Zeit zur schreiben, zieht mich das Leben der Marktkaufleute mehr an. Die Zeit ist wie wohl immer, doch nur in düsteren Moll-Tönen zu beschreiben. Das sonnige Leben im Müßiggang zu genießen, macht hingegen gute Laune.
 
 
In Erfurt lässt sich 23 Jahre nach dem Mauerfall besichtigen, was der Länderfinanzausgleich an Aufbau leistet. Die touristisch reizvollen Plätze der Innenstadt werden großräumig erneuert.
 
 
Straßenbahngleise, Brücken, Plätze, Gebäude, Fassaden - es gibt fast nichts, was grundlegend saniert und erneuert wird.
 
 
Auch vor dem Gebäude mit der Aufschrift "Presseklub" wird gebaggert und gebaut.
 
 
Ob in der Nähe des nächsten Campingplatzes ein Getränkemarkt ist, weiß man nie. Also macht es Sinn, sich in Erfurt mit neuen Vorräten zu versorgen. An diesem reizvoll renovierten Plattenbau darf der Getränkemarkt nicht fehlen.
 
 
Der neue Platz liegt in Jena: Jenacamping bietet alles, was mir wichtig ist: Strom, WiFi, brauchbare Sanitäranlagen, Stadtnähe, 100 Meter zum Saaleradweg, ein gutes Lebensmittelgeschäft und viel Ruhe.
 
 
Beim ersten Blick über die Saale fällt der Hochhaus-Turm in der Stadtmitte auf.
 
 
Für drei Euro befördert mich einer der sechs Fahrstühle auf die 27. Etage des Hochhausturms. Die Aussicht über das Saale-Tal ist überwältigend.
 
 
Die Kamera vergrößert das Planetarium, welches aus dem 28. Stockwerk des Intershop-Turms zwischen den Bäumen verschwindet.
 
 
Der Parkplatz vor dem Intershop-Turm ist gut gefüllt.
 
 
Der Radwanderweg an der Saale führt am Rande eines Maisfeldes durch diesen Pfad. Die erste Station ist Kunitz, wo die Menschen am Samstag ihr "Eierkuchenfest" feiern.
 
 
Blick von der Kunitzer-Holzbrücke auf  die Saale.
 
 
In Porstendorf, etwa 10 Kilometer flußabwärts von Jena liegt der nächste Campingplatz zwischen der Saale und diesem Weiher. Das großräumig eingezäunte Gelände ist nur mit drei Euro Eintritt zugänglich. Doch dann gibt es auch einen FKK-Strand, um sich in der Brühe zu erfrischen.
 
 
Der Teil von Jena, der mich am meisten beeindruckt, hat viel von der Stille, Beschaulichkeit und Ruhe einer Gartenlauben-Kolonie. Wer weniger in die Außenwelt fährt, richtet es sich in der Innenwelt gemütlich ein. Auch mich zieht es wenig weiter aus diesem ruhigen Jena, wo sich alle meine Bedürfnisse so leicht befriedigen lassen.
 
 
Jeden vierten Freitag im Monat bauen zwei Vermarkter von Forellen einen Räucherofen vor dem Edeka-Laden auf, zünden ihre Holzscheite an. Wenige Stunden später schmeckt mir die frisch geräucherte Forelle zum Bier. Ein Bild weiter oben dokumentiert dies opulente Mahl.
 
 
Mittelalterlichen und neuzeitliche Turm-Technologie
  
 
Die phallische Pose von Macht: Während der arme Mann daheim gleichsam mit dem Schwanz in der Hand kaum weiß, wie er Weib, Kinder und sich erhalten soll, posiert der Machthaber, Nutznießer von Steuern und Abgaben mit dem Schwert in der Hand.
 
 
Ein Jahrhundert bevor der Führer sein Volk auf den Deutschen Gruß ausrichtete, stellten sich Künstler Goethes Erlkönig mit eben der Macht ergreifenden Mördergeste vor.
 
 
Das Glück ist mir gewogen: Am heutigen Samstag, wo die Schulkinder in Thüringen ihren Ersten Schultag feiern dürfen, gewährt mir die Gunst der Stunde das 18. Kunitzer Eierkuchenfest.
 
 
Die Blaskapelle spielt besinnliche Stücke in Moll, sehr unterschiedlich von links-zwo-drei-vier Rhythmus bayrischer Blasmusik.
 
 
So eine Werbung geht wohl gerade noch auf dem Kunitzer Eierkuchenfest. In weniger gefestigten Dorfgemeinschaften würde eine Gleichstellungsbeauftragte den chauvinistischen Ton rügen.
 
 
Doch unter der Devise "Fair Play" bleiben Buben wie Mädchen einander friedlich und wohlgesonnen.
 
 
Hier überblickt der Betrachter nun die Festwiese mitsamt Festzelt und Festpublikum des 18. Kunitzer Eierkuchenfestes - im Hintergrund umrahmt von den Höhen der Saale-Höhen. Viele Besucher bringen gleich bedeutsamer Beute ihre Eierkuchen in Stanniol-Papier heim, die dort seit Jahrhunderten und natürlich in Geheimrezepten gebacken werden.
 
 
Dieser blonde Wicht kämpft allerdings nicht mit einem Eierkuchen. Er leckt sich das Fett von den Fingern und hält in seiner kleinen Hand das Brot. Die Eingeborenen verkaufen diese Speise als "Fettbemme", verziert mit drei Gurkenscheiben für einen Euro.
 
 
Als weit verbreitete Spezialität bereichert auch diese Wurstbraterei das 18. Kunitzer Eierkuchenfest. Im Einklang mit dem Landesnamen warten die Kunden geduldig auf ihre "Thüringer Rostbratwurst". Während zum Eierkuchen wohl eher Kaffee passt, wird die Bratwurst mit Bier begossen.
 
 
Das war nun wirklich genug Aufregung und Erinnerung vom Kunitzer Eierkuchenfest im Lande der unvergessenen Geistes-Größen wie der Herren Goethe, Schiller, Nietzsche und Luther.
 
 

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