Luxusreise im Sonnenland - auch bei Wolken und Regen. Die ruhige Reise gefällt uns beiden immer besser. Devise: Nur keine Hetze! Diesmal geht die Reise von der Lagunen- und Urlaubsstadt Oulalida nur etwa 120 weiter südlich in die Töpferstadt Safi.
Es gibt sie noch auf dem Camp International von El Jadida: Junge Männer, die ihren 30 und mehr Jahre alten Allrad-LKW vor der Verschrottung gerettet haben, sich einen Koffer darauf montieren, diesen als Wohnraum richten, und mit dem Gefährt lange, lange und weit in und durch die bunte Welt dieseln. Inmitten der teuren, meistens französischen Rentnerfahrzeuge, von denen etliche mehr als sechsstellige Summen verschlingen, sind die alten Allrad-LKW zwar selten, aber es gibt sie.
Nachdem wir nach unserer ersten Afrika-Woche gegen geringfügigen Aufpreis am Camp International in El Jadida schon unsere erste warme Dusche genießen durften, plagte meinen Wisch-und-Wasch-Bären eine weitere große Sorge. Diese Sorge nahm uns Ali, ein emsiger Dienstleister am Stellplatz in Oulidia ab. Zum einen sprach er Deutsch mit Mima. Erst bot er in seinem Mopedkoffer auf Bestellung an, Tajine oder andere Gerichte von seiner Frau gekocht zu liefern. Aber auch schmutzige Wäsche würde seine Frau für uns waschen. Also nahm er eine Tüte mit, etwa eine Maschine voll, die er uns für 70 Dirham, also etwa sieben Euro, am Abend wieder bringen wollte. Mit der frühen Nachmittagssonne war er wieder da.
Der Wagen steht noch in Regenpfützen, der Schirm tropft noch an der Aufbautür ab, doch unsere frisch gewaschene Wäsche trocknet in der letzten Nachmittagssonne.
Der "Heilige Freitag", an dem viele Geschäfte geschlossen und vor allem die Muezzin arbeiten, lässt wieder dunkle Wolken über der Lagune von Oulidia aufziehen. Bevor es regnet, sind wir wieder im Auto, startklar, und dieseln genussvoll doch hoch konzentriert über die wunderbare Küstenstraße gen Süden. Das Ziel, die Töpferstadt Safi, liegt gerade einmal 80 Kilometer weiter. Das schaffen wir sogar ohne Pause.
Seit zig-Millionen Jahren strömt durch diesen Felsenschlund das Meerwasser bei Flut in die Lagune, bei Ebbe wieder zurück.
Daheim wäre es lächerlich, sich über gewaschene Wäsche auszulassen. Doch auf Reisen sind einfachste Selbstverständlichkeit wie Toiletten, Duschen oder eben gewaschene Wäsche von elementarer Wichtigkeit. Hier, beim Camp International Safi, ist zum einen Sonne das Wichtigste. Unter der Wäsche schleicht schon die Katze. Im Hintergrund wird uns der Muesszin per Druckkammerlautsprecher von der Moschee zwangsweise islamisieren - zumindest in unserem Unterbewussten. Die medinaiven Kultgesänge setzen sich in den Gehörgängen fest und werden zur Sucht. Gut, dass bald wieder mein tief ins Unterbewusste wirkende medinaive Islamisierung einsetzt. Auf den Muezzin ist Verlass wie auf das Amen in der Kirche.
Balzzeit: Der Eine balzt mit seinem bunt bebilderten Blog-Bericht, ein anderer mit seinem hochbeinigen Allrad-LKW, der nächste mit röhrend hochgezogenem Motor seiner Maschine, wieder andere mit bester Ball-Behändigkeit, der Empfindsame balzt bei Gitarre mit sonorer Stimme oder Bubi Scholz balz boxend um den Siegerkranz. Es geht um den Austausch von Körperflüssigkeiten und um immer neue Eiweiß-Zu- wie Abfuhr. "It's biological, stupid!" Was sonst?
Blühende Pracht Bougainvillea: Meine Frau kennt den Namen, denn sie ist Gärtnerin. Sonnige Macht, rotweinselige Nacht - Marokko - Winter im Warmen - siehe oder besser kaufe das gleichnamige Buch! Wer kein Geld hat oder ausgeben will, kriegt zwar kein bunt oder schwarz-weiß bedrucktes Papier, doch die Daten vom Buch kosten den Interessenten nicht mehr als die Verbindungskosten für den Download. Das ist so gut wie geschenkt.
Wir beobachten die Bushaltestelle. Der Bus fährt ein. Er ist "gerammelt" voll - nach unseren Begriffen. Denn viele Menschen stehen schon dicht gedrängt im Bus. An der Haltestelle wartet dennoch eine lange Schlange von Jugendlichen. Die Burschen drängen als Erste hinein. Als der Bus abfährt, hat er fast alle Wartenden doch noch aufgeladen. Der Bus hängt mit der Überlast an Menschen tief, zu tief in den Federn - nach unseren Begriffen.
Blick in die Medina von Safi. Für uns vom Luxus verwöhnte Deutsche ist der Weg in die Medina asiatisch-arabischer Enge und Fülle anfangs immer ein wenig befremdlich - für mich jedenfalls ganz sicherlich. Dann - mit der Zeit - gewöhnt sich der Wanderer an das holprige Pflaster, an gestohlene Kanalisationsdeckel, die offene Schächte frei geben, an Katzen, Hunde oder Unrat auf dem Weg. Man ändert seine Konditionierung an Ordnung, Sauberkeit und Regeln. Wir haben schon trotz der Verbotsschilder Bahngleise überquert. Man spürt Stellen hinter einem Gebüsch auf, um sein Wasser abzuschlagen. Dort stört man sich kaum mehr daran, dass dort schon etwa 10 bis 20 Haufen menschlicher Exkremente verdorren und schwach stinken. Man wird Teil dieser wunderlichen Welt, weil man seine eigene Welt zu vergessen lernt. Und das ist gut so.
Auch er will in ein paar Jahren in den Reigen, den Rummel der Balz-Burschen einsteigen, will ein Weibchen erringen, sein Brot verdienen, will schreiben, ordnen, lesen. Jetzt lernt und lernt und lernt er. Seine Kraft, seine Fähigkeit wird er in den nächsten Jahrzehnten steigern und mehren, wie das Alter unsere Fähigkeiten mindert. Wie der Knabe wächst in sein Leben, lassen wir Alten das Unsere. Alles zu seiner Zeit nach einem unergründlichen Rat. "Wann kommt Sonne?", lacht der Mann am Camp International von Safi über meine Frage, schüttelte die Schultern und erwiderte: "In'ch Allah!"
Die täglichen Ausgaben deutscher Tierfreunde für ihre Katze würde in Marokko einen armen Menschen ernähren. Die Katzen in Safi bedienen sich aus Mülltonnen.
Safi ist die Töpferstadt. Wir suchen uns durch die Medina, bis wir auf diese Scherbenhaufen stoßen - nicht weit vom Ziel.
An dieser Hauswand haben Scherben ihren dekorativen Platz gefunden.
Dass wir am Ende unserer Besichtung der Töpferstadt Safi noch in einem noblen Restaurant aus solchem Tontopf unsere köstliche vegetarische Tajine essen würden, wussten wir noch nicht, als wir uns ein Arbeiter zeigte, wie diese Gebrauchskeramik entsteht.
Erst zeigt uns der Arbeiter, wie er den rohen Ton auf der Treppe knetet, klatsch und walzt. Dann kommt der Klumpen auf die Töpferscheibe. Aus dem großen, groben Ton Klotz entstehen in mehreren geschickten, schnellen Arbeitsgängen verschiedene Gefäße in unterschiedlicher Größe. Der Mann geht so schnell und gekonnt ans Werk, dass diese Handarbeit mich an eine vorindustrielle Produktion erinnert. Mehrmals erklärt uns der Handwerker, dass seine Arbeit sieben Stunden lang bei 900 Grad gebrannt werden muss, glasiert und bemalt und ein weiteres Mal in den Ofen muss.
Wir verlassen das Gebiet der kunstvollen Töpferproduktion, um auf dem gegenüberliegenden Hügel die Burg zu besichtigen.
Wie viel Vasen auf engstem Raum zu stapeln sind, zeigt dieser Turm
In diesem Rundbau verbringt der Töpfer sein Arbeitsleben, wobei ein Radio in der Werkstatt ihn unterhält. Dieser Arbeitsplatz erscheint mir um ein Vielfaches erträglicher, luftiger und heller als beispielsweise eine Brotbackstube, Schusterwerkstatt oder Eisen bearbeitende Garagenwerkstätten. Die Leder verabeitende Zunft in Fes zu besichtigen, erfordert ganz starke Nerven.
Diese, etwa 30 Zentimer im Durchmesser großen Teller, dürfen doch in keinem Partykeller fehlen.
Wir bewundern die überbordend reiche Auswahl an Töpferwaren in Form und Farbe. Im Hintergrund sieht man die Brennöfen und Werkstätten, wo Arbeiter auf engstem Raum ihre Kunst produzieren.
Das Burgtor bleibt zu. Das Museum ist wegen Renovierung geschlossen. Die Schönen setzen sich in Szene, um sich in Fotos voneinander zu erinnern. Der Mond nimmt gerade wieder zu. Liebespaare kuscheln verschämt auf Bänke unter Bäumen. Lächelnde Mädchen freuen sich über einen Liebsten an ihrer Seite.
Bank, Zaun, Garten, Palme, Mauer, Burg: Die Hierarchie der Dinge erhebt sich über Ton, Steine, Scherben ins ätherische Blau des Himmels.
Zackig, kantig, steinig - das Abweisende des Gemäuers zeigt sich in Zacken des Zauns gleichermaßen.
Die königlichen Herrscher der Burgen mit ihren zahlreichen Konkubinen, Haupt- wie Nebenfrauen, einem Heer von Dienstboden, Soldaten, Juristen und Henkern, Verwaltern und Sklaven trennten sich mit starken Mauern von der arbeitenden Bevölkerung, uns Steuerzahlern. Dass man mit dem Durchschreiten des Tores von der Ober- in die Unterwelt wechselt, ist aber eine dramaturgisch emotionale Überhöhung.
Wir sind in beiden Welten daheim, wie oben so unten. Die Wege in der Medina sind verschlungen und schmal. Hier in Safi zum Glück verunsichern uns keine wilden Jungs auf Mopeds, die wie alle Mopeds hier, ohne Nummernschild fahren.
Im asiatisch-arabischen Raum muss man sich an den Anblick von verschmutzten Gräben, üblen Rinnsalen und oft genug an bestialischen Gestank gewöhnen. Dass die Erde zunehmend giftiger wird, das Meer belasteter, die Nahrung mit Schadstoffen getränkt ist, ist allen klar. In Delhi ist die stickige Atemluft gesundheitsgefährdend - schlimmer als in China.
Die Sonne sinkt. Wie das Schiff auf dem Meer seinem Hafen, so streben wir zu unserer trauten Stube heimwärts.
Das Abendmahl mit zwei vegetarischen Tajines im besten Lokal am Platz mit Tee und Tonic kostet 13 Euro. Wir blicken auf die im Meer versinkende Sonne, bewundern die Bananenstaude und den hohen Kaktus im Garten. Der Kellner befeuert den Kamin, entzündet die Kerzen um den Brunnen und kümmert sich aufopferungsvoll um seine beiden Gäste, um uns.
Wir genießen unseren zehnten Tag in Marokko. Frisch gestärkt verlassen wir nach gutem Schlaf und Frühstück das Camp International, um ein weiteres Mal Safi zu erforschen. Bessere Wege, um sich der deutsch-europäischen Konditionierung zu entwöhnen, als afrikanisch-asiatische Dritt-Welt-Länder sind kaum vorstellbar. Hier beispielsweise fehlen aus unerklärlichen Gründen die Deckel von der Kanalisation. Am Straßenrand sind diese böse Fallen für Autofahrer manchmal noch mit Steinen am Rand der Löcher oder Stöcken, die aus den Löchern ragen, gekennzeichnet. Als Wanderer ist man auf seine sieben Sinne angewiesen.
Ein 20-Tonner entlädt in der Medina Mehlsäcke. Um das Fahrzeug gegen Rollen zu sichern, führt der Fahrer diesen "Bremsklotz" schon mit.
Soviel Platz Marokko an vielen unbewohnten oder unbewohnbaren Stellen des großen Landes bietet, so eng geht es in der Medina zu. Der lange rote Sattelschlepper ist voller Mehlsäcke. Man beachte, die charmante kleine Beule an der vorderen Ecke der immensen Tanktonne. An solchen Kleinigkeiten stört sich hier niemand.
Der Preis für ein kleines rundes Brot liegt unverändert bei etwa 10 Cent. Ob der Mehlpreis staatlich subventioniert wird, damit sich auch Arme genug Brot leisten können, ist mir - wie vieles im Land - nicht bekannt.
Bis Mima in ihrer Erdbeerhütte die süßen Früchte verkaufen kann daheim, gehen noch einige Monate ins Land. Hier ist die Erdbeersaison eröffnet. Die Früchte wachsen unter Plastikabdeckungen wie in kleinen Tunneln. Wir haben noch keine gekauft, weil wir in der Ware Unkrautvertilgungsmitteln befürchten.
Auf dem Gemüsemarkt kann sich Mima für ihre vegetarische Küche bestens versorgen. Die Preise für Obst, Gemüse, Oliven oder Couscous betragen vielleicht ein Viertel von unseren daheim.
Der Abstieg in das Töpferviertel ist steinig und steil. In diesem Viertel produzieren kleine Handwerksbetriebe einfache Gebrauchskeramik.
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den mit Plastikplanen gedeckten Hütten muten archaisch an. Viele dünne Menschen mit lächelnden Gesichtern laden uns ein, ihre Arbeit- und Wohnstätten zu besuchen, zu bestaunen, ja zu bewundern.
Die mit Wellenrändern verzierten und glasierten Tongefäße stehen aufgereiht zum Brennen vor dem Ofen.
Alles wird aus großen Klumpen Ton in Handarbeit auf Töpferscheiben gedreht - trotzdem erscheint es wie Massenproduktion. Bei einem vergänglichen Gut wie einem Topf ist das auch gut so.
Hier stehen die Tontöpfe auf dem Material, aus dem sie geformt worden sind.
Etwa 24 Grad in der Sonne, ein stellenweise schlüpfriger Untergrund und viele schöne, aber fremde Eindrücke ermüden den Touristen. Doch nachdem wir unsere Einkäufe in Ruhe aber der gedrängten arabisch-asiatischen Marktatmosphäre erledigt haben, streben wir erschöpft unserer kleinen rollenden Behausung zu.
Es gibt sie noch auf dem Camp International von El Jadida: Junge Männer, die ihren 30 und mehr Jahre alten Allrad-LKW vor der Verschrottung gerettet haben, sich einen Koffer darauf montieren, diesen als Wohnraum richten, und mit dem Gefährt lange, lange und weit in und durch die bunte Welt dieseln. Inmitten der teuren, meistens französischen Rentnerfahrzeuge, von denen etliche mehr als sechsstellige Summen verschlingen, sind die alten Allrad-LKW zwar selten, aber es gibt sie.
Der Rangie zieht auch langsam mit uns gen Süden. Manch auffällige Fahrzeuge sieht man seit Südspanien immer wieder. So auch den Franzosen, der seinen Citroen mit Faltdach auf einem Anhänger hinter seinem Hymer schleppt.
Auf dem Camp International von Safi treffen sich Welten: Der Morelo links neben dem Renault-Allrad-LKW gibt es kaum unter 150.000 Euro. Den alten Renault-Allrad-LKW schraubt sich der Kenner mit einem Bruchteil der Summe zu einem Weltreise-Fahrzeug zusammen.
Zuerst dachten wir, ein zum WoMo umgebauter Gefangentransporter rollt brummend um den Stellplatz in Oulalida. Später erkannten wir, dass einige ehemals vorhandene Scheiben im Bus mit Blechen und Nieten verrammelt wurden.
Am Strand von Oulidia. Die Schreibweise der arabischen Namen in lateinischer Schrift fällt verschiedentlich aus, mal Oulalida, dann wieder Oulidia. Die Fischerboote liegen weit hochgezogen auf der Düne. Trotz genauer Betrachtung der gegen die Felsen anschlagenden Wellen wurde uns nicht klar, auf welchem Weg die Fischer tieferes Wasser gewinnen. Vermutlich warten sie einmal die Flut, zum anderen ruhigeres Wasser ab.
Hier und heute führt jedenfalls kein Weg für die Boote ins Meer. In Kenitra, ja selbst im weiter vom Meer gelegenen Vorort von Mohammedia, hörten wir bei böigem Wind das Heulen und Rauschen vom Meer.
Neben der rauschenden Donnergewalt der Wellen wartete der Stellplatz in Oulidia noch mit einer weiteren akustischen Attraktion auf: Quakende Frösche.
Links das Meer, welches bei Flut sich in die Lagune, auf der rechten Seite ergießt. Bei unserem Morgenspaziergang bei Ebbe floss das Wasser der Lagune zurück ins Meer.
Abends hatte die hohe Flut das schäumende Meerwasser in die Lagune gespült. Woraus der Meeresschaum im Einzelnen besteht, ließ sich ohne Labor und in der Kürze der Zeit natürlich nicht feststellen.
Nachdem wir nach unserer ersten Afrika-Woche gegen geringfügigen Aufpreis am Camp International in El Jadida schon unsere erste warme Dusche genießen durften, plagte meinen Wisch-und-Wasch-Bären eine weitere große Sorge. Diese Sorge nahm uns Ali, ein emsiger Dienstleister am Stellplatz in Oulidia ab. Zum einen sprach er Deutsch mit Mima. Erst bot er in seinem Mopedkoffer auf Bestellung an, Tajine oder andere Gerichte von seiner Frau gekocht zu liefern. Aber auch schmutzige Wäsche würde seine Frau für uns waschen. Also nahm er eine Tüte mit, etwa eine Maschine voll, die er uns für 70 Dirham, also etwa sieben Euro, am Abend wieder bringen wollte. Mit der frühen Nachmittagssonne war er wieder da.
Der Wagen steht noch in Regenpfützen, der Schirm tropft noch an der Aufbautür ab, doch unsere frisch gewaschene Wäsche trocknet in der letzten Nachmittagssonne.
Der "Heilige Freitag", an dem viele Geschäfte geschlossen und vor allem die Muezzin arbeiten, lässt wieder dunkle Wolken über der Lagune von Oulidia aufziehen. Bevor es regnet, sind wir wieder im Auto, startklar, und dieseln genussvoll doch hoch konzentriert über die wunderbare Küstenstraße gen Süden. Das Ziel, die Töpferstadt Safi, liegt gerade einmal 80 Kilometer weiter. Das schaffen wir sogar ohne Pause.
Seit zig-Millionen Jahren strömt durch diesen Felsenschlund das Meerwasser bei Flut in die Lagune, bei Ebbe wieder zurück.
Daheim wäre es lächerlich, sich über gewaschene Wäsche auszulassen. Doch auf Reisen sind einfachste Selbstverständlichkeit wie Toiletten, Duschen oder eben gewaschene Wäsche von elementarer Wichtigkeit. Hier, beim Camp International Safi, ist zum einen Sonne das Wichtigste. Unter der Wäsche schleicht schon die Katze. Im Hintergrund wird uns der Muesszin per Druckkammerlautsprecher von der Moschee zwangsweise islamisieren - zumindest in unserem Unterbewussten. Die medinaiven Kultgesänge setzen sich in den Gehörgängen fest und werden zur Sucht. Gut, dass bald wieder mein tief ins Unterbewusste wirkende medinaive Islamisierung einsetzt. Auf den Muezzin ist Verlass wie auf das Amen in der Kirche.
Balzzeit: Der Eine balzt mit seinem bunt bebilderten Blog-Bericht, ein anderer mit seinem hochbeinigen Allrad-LKW, der nächste mit röhrend hochgezogenem Motor seiner Maschine, wieder andere mit bester Ball-Behändigkeit, der Empfindsame balzt bei Gitarre mit sonorer Stimme oder Bubi Scholz balz boxend um den Siegerkranz. Es geht um den Austausch von Körperflüssigkeiten und um immer neue Eiweiß-Zu- wie Abfuhr. "It's biological, stupid!" Was sonst?
Blühende Pracht Bougainvillea: Meine Frau kennt den Namen, denn sie ist Gärtnerin. Sonnige Macht, rotweinselige Nacht - Marokko - Winter im Warmen - siehe oder besser kaufe das gleichnamige Buch! Wer kein Geld hat oder ausgeben will, kriegt zwar kein bunt oder schwarz-weiß bedrucktes Papier, doch die Daten vom Buch kosten den Interessenten nicht mehr als die Verbindungskosten für den Download. Das ist so gut wie geschenkt.
Wir beobachten die Bushaltestelle. Der Bus fährt ein. Er ist "gerammelt" voll - nach unseren Begriffen. Denn viele Menschen stehen schon dicht gedrängt im Bus. An der Haltestelle wartet dennoch eine lange Schlange von Jugendlichen. Die Burschen drängen als Erste hinein. Als der Bus abfährt, hat er fast alle Wartenden doch noch aufgeladen. Der Bus hängt mit der Überlast an Menschen tief, zu tief in den Federn - nach unseren Begriffen.
Blick in die Medina von Safi. Für uns vom Luxus verwöhnte Deutsche ist der Weg in die Medina asiatisch-arabischer Enge und Fülle anfangs immer ein wenig befremdlich - für mich jedenfalls ganz sicherlich. Dann - mit der Zeit - gewöhnt sich der Wanderer an das holprige Pflaster, an gestohlene Kanalisationsdeckel, die offene Schächte frei geben, an Katzen, Hunde oder Unrat auf dem Weg. Man ändert seine Konditionierung an Ordnung, Sauberkeit und Regeln. Wir haben schon trotz der Verbotsschilder Bahngleise überquert. Man spürt Stellen hinter einem Gebüsch auf, um sein Wasser abzuschlagen. Dort stört man sich kaum mehr daran, dass dort schon etwa 10 bis 20 Haufen menschlicher Exkremente verdorren und schwach stinken. Man wird Teil dieser wunderlichen Welt, weil man seine eigene Welt zu vergessen lernt. Und das ist gut so.
Auch er will in ein paar Jahren in den Reigen, den Rummel der Balz-Burschen einsteigen, will ein Weibchen erringen, sein Brot verdienen, will schreiben, ordnen, lesen. Jetzt lernt und lernt und lernt er. Seine Kraft, seine Fähigkeit wird er in den nächsten Jahrzehnten steigern und mehren, wie das Alter unsere Fähigkeiten mindert. Wie der Knabe wächst in sein Leben, lassen wir Alten das Unsere. Alles zu seiner Zeit nach einem unergründlichen Rat. "Wann kommt Sonne?", lacht der Mann am Camp International von Safi über meine Frage, schüttelte die Schultern und erwiderte: "In'ch Allah!"
Die täglichen Ausgaben deutscher Tierfreunde für ihre Katze würde in Marokko einen armen Menschen ernähren. Die Katzen in Safi bedienen sich aus Mülltonnen.
Safi ist die Töpferstadt. Wir suchen uns durch die Medina, bis wir auf diese Scherbenhaufen stoßen - nicht weit vom Ziel.
An dieser Hauswand haben Scherben ihren dekorativen Platz gefunden.
Dass wir am Ende unserer Besichtung der Töpferstadt Safi noch in einem noblen Restaurant aus solchem Tontopf unsere köstliche vegetarische Tajine essen würden, wussten wir noch nicht, als wir uns ein Arbeiter zeigte, wie diese Gebrauchskeramik entsteht.
Erst zeigt uns der Arbeiter, wie er den rohen Ton auf der Treppe knetet, klatsch und walzt. Dann kommt der Klumpen auf die Töpferscheibe. Aus dem großen, groben Ton Klotz entstehen in mehreren geschickten, schnellen Arbeitsgängen verschiedene Gefäße in unterschiedlicher Größe. Der Mann geht so schnell und gekonnt ans Werk, dass diese Handarbeit mich an eine vorindustrielle Produktion erinnert. Mehrmals erklärt uns der Handwerker, dass seine Arbeit sieben Stunden lang bei 900 Grad gebrannt werden muss, glasiert und bemalt und ein weiteres Mal in den Ofen muss.
Wir verlassen das Gebiet der kunstvollen Töpferproduktion, um auf dem gegenüberliegenden Hügel die Burg zu besichtigen.
Wie viel Vasen auf engstem Raum zu stapeln sind, zeigt dieser Turm
In diesem Rundbau verbringt der Töpfer sein Arbeitsleben, wobei ein Radio in der Werkstatt ihn unterhält. Dieser Arbeitsplatz erscheint mir um ein Vielfaches erträglicher, luftiger und heller als beispielsweise eine Brotbackstube, Schusterwerkstatt oder Eisen bearbeitende Garagenwerkstätten. Die Leder verabeitende Zunft in Fes zu besichtigen, erfordert ganz starke Nerven.
Diese, etwa 30 Zentimer im Durchmesser großen Teller, dürfen doch in keinem Partykeller fehlen.
Wir bewundern die überbordend reiche Auswahl an Töpferwaren in Form und Farbe. Im Hintergrund sieht man die Brennöfen und Werkstätten, wo Arbeiter auf engstem Raum ihre Kunst produzieren.
Das Burgtor bleibt zu. Das Museum ist wegen Renovierung geschlossen. Die Schönen setzen sich in Szene, um sich in Fotos voneinander zu erinnern. Der Mond nimmt gerade wieder zu. Liebespaare kuscheln verschämt auf Bänke unter Bäumen. Lächelnde Mädchen freuen sich über einen Liebsten an ihrer Seite.
Bank, Zaun, Garten, Palme, Mauer, Burg: Die Hierarchie der Dinge erhebt sich über Ton, Steine, Scherben ins ätherische Blau des Himmels.
Zackig, kantig, steinig - das Abweisende des Gemäuers zeigt sich in Zacken des Zauns gleichermaßen.
Die königlichen Herrscher der Burgen mit ihren zahlreichen Konkubinen, Haupt- wie Nebenfrauen, einem Heer von Dienstboden, Soldaten, Juristen und Henkern, Verwaltern und Sklaven trennten sich mit starken Mauern von der arbeitenden Bevölkerung, uns Steuerzahlern. Dass man mit dem Durchschreiten des Tores von der Ober- in die Unterwelt wechselt, ist aber eine dramaturgisch emotionale Überhöhung.
Wir sind in beiden Welten daheim, wie oben so unten. Die Wege in der Medina sind verschlungen und schmal. Hier in Safi zum Glück verunsichern uns keine wilden Jungs auf Mopeds, die wie alle Mopeds hier, ohne Nummernschild fahren.
Im asiatisch-arabischen Raum muss man sich an den Anblick von verschmutzten Gräben, üblen Rinnsalen und oft genug an bestialischen Gestank gewöhnen. Dass die Erde zunehmend giftiger wird, das Meer belasteter, die Nahrung mit Schadstoffen getränkt ist, ist allen klar. In Delhi ist die stickige Atemluft gesundheitsgefährdend - schlimmer als in China.
Die Sonne sinkt. Wie das Schiff auf dem Meer seinem Hafen, so streben wir zu unserer trauten Stube heimwärts.
Das Abendmahl mit zwei vegetarischen Tajines im besten Lokal am Platz mit Tee und Tonic kostet 13 Euro. Wir blicken auf die im Meer versinkende Sonne, bewundern die Bananenstaude und den hohen Kaktus im Garten. Der Kellner befeuert den Kamin, entzündet die Kerzen um den Brunnen und kümmert sich aufopferungsvoll um seine beiden Gäste, um uns.
Wir genießen unseren zehnten Tag in Marokko. Frisch gestärkt verlassen wir nach gutem Schlaf und Frühstück das Camp International, um ein weiteres Mal Safi zu erforschen. Bessere Wege, um sich der deutsch-europäischen Konditionierung zu entwöhnen, als afrikanisch-asiatische Dritt-Welt-Länder sind kaum vorstellbar. Hier beispielsweise fehlen aus unerklärlichen Gründen die Deckel von der Kanalisation. Am Straßenrand sind diese böse Fallen für Autofahrer manchmal noch mit Steinen am Rand der Löcher oder Stöcken, die aus den Löchern ragen, gekennzeichnet. Als Wanderer ist man auf seine sieben Sinne angewiesen.
Ein 20-Tonner entlädt in der Medina Mehlsäcke. Um das Fahrzeug gegen Rollen zu sichern, führt der Fahrer diesen "Bremsklotz" schon mit.
Soviel Platz Marokko an vielen unbewohnten oder unbewohnbaren Stellen des großen Landes bietet, so eng geht es in der Medina zu. Der lange rote Sattelschlepper ist voller Mehlsäcke. Man beachte, die charmante kleine Beule an der vorderen Ecke der immensen Tanktonne. An solchen Kleinigkeiten stört sich hier niemand.
Der Preis für ein kleines rundes Brot liegt unverändert bei etwa 10 Cent. Ob der Mehlpreis staatlich subventioniert wird, damit sich auch Arme genug Brot leisten können, ist mir - wie vieles im Land - nicht bekannt.
Bis Mima in ihrer Erdbeerhütte die süßen Früchte verkaufen kann daheim, gehen noch einige Monate ins Land. Hier ist die Erdbeersaison eröffnet. Die Früchte wachsen unter Plastikabdeckungen wie in kleinen Tunneln. Wir haben noch keine gekauft, weil wir in der Ware Unkrautvertilgungsmitteln befürchten.
Auf dem Gemüsemarkt kann sich Mima für ihre vegetarische Küche bestens versorgen. Die Preise für Obst, Gemüse, Oliven oder Couscous betragen vielleicht ein Viertel von unseren daheim.
Der Abstieg in das Töpferviertel ist steinig und steil. In diesem Viertel produzieren kleine Handwerksbetriebe einfache Gebrauchskeramik.
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den mit Plastikplanen gedeckten Hütten muten archaisch an. Viele dünne Menschen mit lächelnden Gesichtern laden uns ein, ihre Arbeit- und Wohnstätten zu besuchen, zu bestaunen, ja zu bewundern.
Die mit Wellenrändern verzierten und glasierten Tongefäße stehen aufgereiht zum Brennen vor dem Ofen.
Alles wird aus großen Klumpen Ton in Handarbeit auf Töpferscheiben gedreht - trotzdem erscheint es wie Massenproduktion. Bei einem vergänglichen Gut wie einem Topf ist das auch gut so.
Hier stehen die Tontöpfe auf dem Material, aus dem sie geformt worden sind.
Etwa 24 Grad in der Sonne, ein stellenweise schlüpfriger Untergrund und viele schöne, aber fremde Eindrücke ermüden den Touristen. Doch nachdem wir unsere Einkäufe in Ruhe aber der gedrängten arabisch-asiatischen Marktatmosphäre erledigt haben, streben wir erschöpft unserer kleinen rollenden Behausung zu.
Solange der Mechaniker in seiner Garagenwerkstatt noch nicht mit der Reparatur begonnen hat, lassen es sich die Katzen auf dem warmen Blech gut gehen.
Die Badesaison ist eröffnet. In Safi trauen sich die Ersten ins rauschende Meer.
Die Burschen vergnügen sich mit Kunststücken im Sand. Uns schwebt eine geruhsame Pause in der Sonne vor.
Niemand hetzt, niemand drängelt, niemand will uns etwas verkaufen. Wir genießen auf der sonnigen Restaurant-Terrasse unseren heißen, süßen "Thé à la Menthe", schauen über das Meer, bezaubert vom Spiel der Wellen und Wolken.
Ehrerbietig salutieren wir vor den martialischen Zeichen unseres Gastlandes, welches uns mit allem im Übermaß verwöhnt und mit vielfältigen Genüssen beschenkt und verzaubert. Die Sichel des neuen Mondes ist erstmalig wie ein Märchen aus 1001 Nacht am Abendhimmel aufgetaucht. Nach einem angenehm warmen Sonnentag wird auch die Nacht mit über 10 Grad Celsius angenehm mild bleiben.
Am 2.2. geht es dann wieder weiter südlich in die Wunderwelt. Der Straßenverkehr birgt Risiken, die sich von denen bei uns im Land unterscheiden. So berichtet Bluekat in seinem Blog von einem unangenehmen Vorkommnis in El Jadida, was für sein Fahrzeug keine Folgen hatte.
"
Es regnet und stürmt. Der verkehr in der Innenstadt
ist chaotisch. Liegt es am Wetter? Auf der zweispurigen
Ausfallstraße knirscht es plötzlich an unserer Beifahrerseite. Ein Marokkaner
hat uns touchiert. Ich halte an, steige aus. Der Außenspiegel des
marokkanischen Autos hat sich in unserer Noteinstiegsleiter zum Koffer
verfangen, die Fahrertür des Marokkaners ist verbeult. Bei uns am Fahrzeug
keine Kratzer! Ja der robuste Brantho Korrux 3!!! Er will Geld. Ich lehne ab. Er hat wohl geschlafen und
ist uns einfach in die Seite gefahren, ich fuhr gerade aus. Er will immer noch Geld,
sonst ruft er die Polizei.
Ja gut, Polizei ist gut, sage
ich. Nach einigem Hin und Her
kommt auch schon ein Polizist angelaufen, welcher an dem nahen Kreisverkehr den
Verkehr regelt. Er beschaut die Sache. Dann
schickt er den Marokkaner davon und uns auch."
Das ist für Rainer gut gegangen. Doch Unfallschilderungen von Reisenden meiner drei Monate in Marokko 2012 sind weit weniger glimpflich verlaufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen