13 März 2013

Lissabon - pyramidale Pracht

Zwei Nächte und Tage in Lissabon kosten Kraft. Adolf hat die Heimreise angetreten. Mich zieht es in den Süden, zur Sonne. Endlich,  zwei Meter vom Meer entfernt, bei Setúbal im Sonnenschein beruhigen sich die Nerven  - langsam. Zuviele Eindrücke in zu kurzer Zeit überwältigen mich.


Der Campingplatz in Lissabon bietet für 20 Euro/Nacht viel Komfort: Internet-WiFi vom nahen Restaurant und Strom. Ein Wasserhahn, eine Mülltonne sowie eine Sitzbank mit Tisch stehen neben dem Auto. Wenn allerdings die ganze Nacht Regen fällt, dann von den hohen Bäumen monoton die Tropfen auf die dünnen Polyester-Dächer und die Alu-Treppe klingend fallen und platzen, dann endet mein Schlaf schon nachts um halb Zwei.




Viele Häuser in den Städten verrotten. An nicht wenigen Gebäuden in der Innenstadt hängen Tafeln "Zu verkaufen". Gegen den Niedergang alter Bausubstanz stechen prachtvolle Plätze, Kirchen, Kathedralen und Klöster umso mehr ab. Das eingerüstete und verkleidete Monument wird gerade restauriert.


Die Sonne strahlt endlich einmal mit mehr Kraft. Der Theaterplatz erwärmt sich schnell. Die Hitze trocknet die Pfützen.


Symetrische Architektur und ausgefeilte Steinmetz-Kunst erstaunen mich immer wieder.


Die kleinen Straßenbahnen bewegen sich behend und wendig durch die engen Altstadtgassen, solange keine Auto ihre Bahn zuparkt. Von Meereshöhe geht es auf und ab in Lissabon, einer Stadt wie so viele auf sieben Hügeln.


Bankster haben sich des ehrwürdigen Bauwerks ermächtigt. Im Sinne der reichen Kunden bleibt das Haus so gut erhalten.


Der Straßenhändler verkauft aus seinem dampfenden Karren heiße Maroni. Man erhält sie mit zwei Tüten: In die leere Tüte soll man die Schalen stopfen. So bleiben die Straßen sauber.


Ein Fahrstuhl befördert Besucher auf die Plattform des "antiken" Aussichtsturms.


Dieser Turm kann sich sehen lassen.




Die andere Seite der prächtigen Medaille zeigt sich in Armen, Kranken und Alten, die um ihr Brot betteln.



Jeder Pflasterstein musste einzeln bearbeitet, sorgfältig ausgelegt und verankert werden. Säulen, Gebäude, Standbilder, der Reichtum eines vergangenen Weltreichs liegt unter unseren Füßen.




Ob die Portugiesen mit ihrem Steueraufkommen oder ob weitere EU-Gelder nötig sind, ein Dach, wie das der Kirche, zu decken, fragt man sich angesichts der maroden Bausubstanz vieler Gebäude.



Bevor der Betrachter über die Finanzierung all der Pracht sich den Kopf zerbricht, lässt man sich lieber wieder von Architektur, Brunnen und Statuen faszinieren.



In Lissabon machen Möwen den Tauben die besten Kopfplätze streitig.




Esskastanien, nahrhaft, schmackhaft und gesund. Der Straßenhändler reicht sie leicht gezalzen mit einer zweiten Tüte, um die Schalen darin gesammelt zu entsorgen.


Die Burg krönt die Oberstadt.


Alltag in einer Nebenstraße: Müll sammelt sich vor einer Haustür. Der Kleinlastwagen kommt kaum durch die Enge. Der Fußgänger drückt sich an einem parkenden Wagen vorbei.



Wohngebäude der Wohlhabenden: Die Fassade ist ringsum kunstvoll gekachelt - sogar in der seitlichen Rundung.




Die Klofrau hat aus dem Pissoir ein meditatives Refugium geschaffen. Dort lässt der Besucher gerne einen kleinen Obulus. In Sanitäranlagen der Campingplätze findet man manchmal schimmelige Wände. Manche Wasserleitungen lösen sich von den Wänden.





Frei nach Schiller: "Durch diese hohle Gasse muss er kommen...."




In fünf Minuten klickt sich der Betrachter durch die kleine Bildsammlung von Lissabons Pracht eines untergegangen Weltreichs. Dass diese Reise bislang schon einen Monat dauert, dass die atlantischen Regentiefs reichen Regen bringen, dessen Tropfen auf den drei Dachluken konzertant plätschernd platzen, dass bald dreieinhalbtausend Kilometer zwischen Dir und mir liegen, das alles und mehr sollte sich der flüchtige Betrachter verdeutlichen.


Blick über die Dächer Lissabons mit der Burg im Hintergrund



Nochmal die Kirche, deren Dach wohl in den nächsten Jahrzehnten renoviert werden dürfte, wenn das Geld reicht.



Heute nacht, in der Ruhe direkt am Meer bei Setubal, als der Regen mich erst morgen gegen halb fünf wach trommelte, da erstaunen mich die Bilder der prächtigen Gebäude, deren kunstvolle Einzelheiten beim Stadtbesuch im Schnelldurchgang einfach unfassbar bleiben.


Jede dieser Säulen, jedes dieser Monumente, Standbilder und Plastiken hat eine eigene Geschichte, einer dickbauchigen gelehrten Abhandlung wert. Der eilende Betrachter bekommt das Gefühl, hier blättert der Glanz einer vergangen Epoche unermesslichen Reichtums, den unerbittliche Kolonialherrn weltweit eintrieben, den todesmutige Seefahrer auf ächzenden Segelschiffen über die Meere schafften.




Wichtiger als die Frage, was denn nun war "1844", wie die Jahreszahl auf dem Monument ausgibt, wichtiger wäre zu wissen, ob der Regen wenigstens bis zum Abend, bis in die Nacht sich Zeit lässt.



Für 6,50 Euro kann man 24 Stunden Busse, Straßenbahnen und auch die Metro in und um Lissabon nutzen. Zur Orientierung dienen markante Punkte, wie diese Monumentalstatue im Kreisverkehr, der gerade ausgebaut wird.



Der Herr on Top hat sich des Löwens bemächtigt, also seiner Priester, Polizisten und Generäle. Der Bauer dort unten zwingt die Ochsen unter das Joch, wie er unter das Joch seiner Steuern und Abgaben gezwungen wird.



Das "Weiße Haus" oder das "Haus ist weiß": Zwei Soldaten mit Karabiniern und aufgesetztem Bajonett bewachen als lebende Standbilder den Eingang.


Das Arrangement will uns vermitteln: "Raus kommt man leichter als rein."


Die betagten und in Kurven kreischenden Bahnen bringen die Menschen komfortabel auf die Hügel der Stadt, immerhin bis zu 250 Meter hoch. Für die engen Straßen sind diese Bahnen wie geschaffen, solange kein Auto ihnen die Spur zuparkt.


Wäre Sonne, wären Farben. Doch auch kaum koloriert vermittelt die Kirche Grandezza, Reichtum und Macht.


In einem Park, also einem sozialen Ruheraum ohne klerikalen Konditionierungsauftrag, haben die Entscheidungseliten der arbeitenden Bevölkerung ein Standbild geschaffen. Anzumerken bleibt, dass solche Statuen selten sind.


Weitaus häufiger posieren für die Volkserziehung und -ertüchtigung, wie in diesem Kreisel, Standbilder von Fahnen-, Schwert- oder Lanzenträger - oftmals hoch zu Ross. Reichtümer, individuell wie kollektiv, sind durch Arbeit wohl weniger zu gewinnen, als durch Ausbeutung, Ausplünderung, durch Raub, Totschlag und Mord weniger gut gerüsteter, gewappneter und gestärkter Menschen, der Versklavung von Menschen und dem grausamen, egoistischen Missbrauch von Fauna und Flora.


Selbst noch in des Parkes Ruhe, in der müßigen Pose am Brunnen, am Teich, da hält der halbnackte Held noch den Löwen an der Gurgel und guckt gar grimmig. Portugal, wie warst Du einst prächtig!


Bevor uns das nächste atlantische Tief mit seiner nächsten Regensäule von 10 bis 100 Millimeter kalt in den Nacken läuft, retten wir uns trocken in eine klapprige, aber gemütliche Straßenbahn oder in einen Bus. Der penetrante Geruch von Mottenkugel verrät, dass eine Dame ihren Wintermantel ebenso sorgsam gegen Ungeziefer verteidigt, wie einst die portugiesische Armada ihr Reich gegen den Rest der Welt.


Wir verlassen den Bauch der Unterwelt, also die Metro, über vier Rolltreppen einer gefühlten Länge von mindest vier mal 50 Metern. Die reizende Bekanntschaft gleichsam von Nachbarn aus dem nahen Planneg bei München zeigt eine komfortablere Art, sich Lissabon zu nähern. Flug einschließlich vier Nächten mit Frühstück im Vier-Sterne-Hotel für 235 Euro/Person. Die rüstigen Rentner lassen sich daheim von Regen, Kälte und Schnee nicht verdrießen und fahren in ihren vier Tagen vermutlich mehr Kilometer im öffentlichen Nahverkehr als der Kellner in Lissabon, der etwa 300 Tage im Jahr seine Arbeitsweg so bewältigt. Dass der gute Mann noch ein Loblied auf den boarischen höchsten Herrn und Heiland - nach Jesus und der Jungfrau Maria - nicht Ratzinger, sondern Franz-Josef anstimmt, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Dass aber jemand aus München mit Gysi dagegen stimmt, wird der gute Mann als Plage der "Zugeroasten" verbuchen müssen.



Nunmal ein Standbild ohne Taub, ohne Möwe auf dem Kopf, diese Statue dient einfach nur einer jungen Dame als Lehne. Die Gebärde der Gestalt mag zeigen, dass noch ein Rest zu zahlen ist. Die junge Dame hingegen betrachtet wie wohl Merkel im Parlament aufmerksam die SMS auf ihrem Handy.


Ob es in den Jahrhunderten portugiesischer Imperialmacht ein Gesetz gegeben hat, öffentliche Prachtbauten mit Statuen auszustatten oder ob es zum "Guten Ton" gehört haben mag, wie auch in unserem Land Bank-, Bahnhofs-, Flughafen und Regierungsgebäude mit "Drei-Prozent" öffentlicher Kunst zu beglücken, sei dahingestellt. Jedenfalls täte ein wenig Sonne Bild wie Belichtung wie Betrachter besser. Zudem wäre die Behauptung falsch, dass die Straßenbahn am rechten Rand aus der selben Epoche stammt wie die Laterne. Die Straßenbahn ist weitaus moderner als die Laterne.



Diese barbusige Dame zeigt mit ausgebreiteten Armen: "Es ist ein Kreuz mit euch Männern! Zieh' nun endlich Deinen Mantel aus, Du Trottel und komm in meine Arme."


Den erfahrenen, alten Fuchs Adolf zieht es heim in seinem grünen Sprinten zu seiner jungen Freundin, um endlich Ostern in Urlaub zu fahren. Ob bei der Regen schüttenden Nacht die Menschen im Zelt trocken geblieben sind, ließ sich in der Kürze der Zeit nicht recherchieren. Lissabon ruft!


Gleichsam zwischen Himmel und kostbarer Stein-Koloratur schwebt das "Mosteiro dos Jeromimos Grupo Escultórico do Portal Sul", der nächste Edelstein der wachsenden Weltkulturerbe-Sammlung. Auch hier darf der, der 65 Jahre geschafft hat, zum halben Preis hinein. Von daher rechnet es sich, dass meine Reise an meinem 65jährigen Geburtstag begann.


Lissabon darf man nicht verlassen, ohne das Denkmal der Welteroberer "Padrao Dos Descobrimentos" bewundert zu haben. Später führt mich meine Fahrt über die 70 Meter hohe und 2278 Meter lange "Ponte de 25 Abril" in den Süden ans Meer. Ganz rechts am Bildrand verschwindet im Dunst eine monströse Christus-Statue wie in Rio de Janeiro.


Die Steinhauer, Architekter und Designer, welche im vorigen Jahrhundert ihre Plastik schufen, bekamen vom Steuerzahler nur ein begrenztes Budget. Dem arbeitenden Volk sind Prachtplastiken, die erst nach Jahrzehnten fertig werden sollen - wenn überhaupt - ebenso schwer zu vermitteln, wie den Stuttgarter ihr neuer Bahnhof.
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So muss man es sich also vorstellen dies "Auf! Auf! In die Neue Welt!" Nur noch die Einwohner der Falkland-Inseln haben zu 98,5 Prozent für einen Verbleib bei Großbritanien gestimmt. Alle anderen eroberten Länderei sind nun in die Hände der dort wohnenden Plünderer und Politiker gefallen. Zahlreiche junge tatkräftige Männer und Frauen in Portugal müssen wieder irgendwo in der Welt - fern der Heimat - um ihren Lebensunterhalt kämpfen. An BGE, also "Bedingungsloses Grundeinkommen" ist überhaupt nicht zu denken!


Jungvolk, eine ganze Schülerschar, zwitschert fröhlich im streng strukturierten Sakralbau "Mosteiro dos Jeromimos".



Unter geschwungenem Kirchdach steht der Marmor-Sakropharg von Vasco da Gama, der die Passage nach Indien fand und dem portugiesischen Welthandel über Jahrhunderte gewaltige Vorteile gegenüber dem mühseligen Landweg durch unsichere arabische Wüstenregionen verschaffte.



Die westliche Welteroberung hat sich gerechnet: Sakrale Monumentalbauten mit unbezahlbaren Schätzen zeugen davon bis heute.


Landauf, landab verkündet Christus am Kreuz: Mit dieser Religion werdet ihr leiden, zwar nicht die Verkünder und Nutznießer der "Frohen Botschaft", wohl aber deren Gläubiger, die Schuldner der geerbten Sünde. Denn wer wurde schon von einer Jungfrau geboren - außer Jesus christus?



Wer durch Klöster und Kirchen pilgert, muss sich schon einige Gedanken machen, Gedanken wie über das "Woher? und Wozu?".


Hier liegt er nun, der Eroberer der Indienpassage, bestenfalls entspannt mit gefalteten Händen dem Tode ergeben.


Junge Männer, die die Klosterzucht schulte, konnten nach wenigen Jahrzehnten schon die Geschichten sämtliche Gestalten an der Eingangspforte singen - im Schlaf. In heutiger Zeit


An diesem ruhigen Platz am Meer entstand beim Sonnenaufgang mein Bericht aus Lissabon. Nach einem kurzen Schauer in der Morgendämmerung sind nur noch Schreie von Möwen und das Rauschen des Windes, der den Wagen schüttelt, zu hören. Die Temperatur stieg schon von sieben Grad im Innern des Wagens auf 23, wobei die Sonne heizt. WiFi würde es zwar beim McDonald in Setúbal geben. Doch die Parkplätze dort sind schon für PKW knapp bemessen. Es macht mir große Mühe, mein 6-Meter-Gefährt dort unbeschadet hinein und heraus zu manövrieren. Wenn die Not mich zum Einkauf zwingt, dann muss es gelingen. Doch nur für eine Stunde WiFi-Verbindung zwingt es mich nicht in den lärmenden Großstadtverkehr und die drangvolle Enge des Großparkplatzes. In Marokko stehen die luxus-langen WoMos der 12-Meter-Klasse frei auf dem Platz. Hier in Portugal sind die Großkaufhäuser belagert von Autos in stehendem oder Parkplatz suchendem Verkehr. Es macht mir keine Freude, mich Millimeter passgenau an anderen Autos oder 30 Zentimetern hohen Betonumrandungen vorbei zu bugsieren.




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