01 März 2013

Porto

Nach zwei Wochen und 2500 Kilometer haben wir in Porto einen Campingplatz gefunden, der mit Strom, Duschen und Internet bei einem Preis von acht Euro alle Annehmlichkeiten luxuriöser Reise-Kultur bietet.



Die vorerst letzte Nacht in der "freien Natur": Wir haben uns von der sechs- bis achthundert Meter Höhe der Route 103 auf 160 Meter hinunter "geschraubt" . Es ist die Straße zum Naturpark Geres. Die Nacht zeigt sich dafür gleich mit vier Grad Celsius milder und wärmer als die frostigen Nächte in größerer Höhe zuvor.

In den Niederungen der Talsperre am Eingang zum Naturpark Geres leuchtet schon der bunte Frühling in blühenden Bäumen.



Der Morgen lässt aus grauen Wolken anfangs ein paar Regentropfen fallen. Wir kurven von der Talsperre am Naturpark Geres wieder in die Höhe. Vor der drittgrößten portugiesischen Stadt Burga besuchen wir den Wallfahrtsort Bom Jesus. Die Bäume stehen dort noch recht kahl. Der zum Sturm sich aufbretzelnde Wind bricht einen Zweig aus dem mächtigen Eukalyptus-Baum. Doch diese kleine Beute der Natur duftet im Wagen nicht nach den erfrischenden Hustenbonbons des gleichen Namen.



Neben den beeindruckenden Sakralbauten wartet Bom Jesus mit einer technischen Attraktion von 1882 auf.


Damit sich die Pilger auf den Heiligen Berg nicht schon beim Anmarsch vor dem Gebet verausgaben, hat einer genialer Geist diese Bahn ersonnen. Wasser füllt einen Tank im oberen Wagon. Dieser zieht mit dem so erhöhten Gewicht den unteren Wagon an einem Seil hoch. Allerdings konnten wir das Gefährt nicht testen, weil mangels Publikum der Pilgerbetrieb ruhte.



Maximal majestätische und modern - eine Pilgerstätte so recht nach dem Geschmack der Gläubigen.


Das Tele bringt uns den Reiter vor dem Tempelberg Bom Jesus mit martialischer Macht näher.



Kreuz und Krone: Wie überall an ähnlichen Orten lasten diese Symbole auf dem Kreuz des Kirchenvolkes. Die Priester in samtenen Roben, die Burgherren in prächtigen Kastellen kasteien die Massen für profitable Predigten global und international mit dem Idol des Gekreuzigten.



Perversion im System: Wie man das unmenschliche Leiden eines Menschen, am Kreuz zu Tode gefoltert, in gleißendem Goldglanz verklärt, verschönt und verzaubert, scheint sinnbildlich für meisterhafte Manipulation Massen durch die Mächtigen. Motto: Gib alles! Gib Dich! Für Gottes Glanz und Gloria, für Volk und Vaterland.


Trotz meiner aufrichtigen Sinnsuche nach den Wurzeln religiotischer Rechthaberei vergönnen mir die Moderatoren von marokko-forum.net nicht mehr, dort meinen kunstvoll komponierten Klerikal-Klamauk zu veröffentlichen. Meine provozierende Art hat mich schon von vielen Menschen und ihren kultigen Kreisen entfernt. Irgendwie bleibt doch ein Stachel, gleichsam ein Schatten des Todes, sich von Menschen, denen man näher gekommen war, sich zu trennen. Dass die Dame Josi mir dabei Zitat unterschiebt, um mich zu diskreditieren, ist Teil des politischen Spiels rigider Religioten.




Die Dame "Josi" im Forum marokko-net schiebt mir einen Satz als Zitat unter, der von mir nie geschrieben wurde. Der Satz lautet: "Islam-Jünger missionieren mit neuen Kräften..."  Mon Dieu! Als ob nichts Besseres zu tun wäre in meinem Leben!


Das Leiden des Menschensohn in Multicolor und 3-D, eine technisch-künstlerische Meisterleistung im "Namen der Rose". Die eindrucksvolle Formulierung verdanken wir Umberto Ecco. Wer beim Anblick in der Kult-Kirche Bom Jesus nicht andächtig konditioniert zum "Inneren Stillgestanden" stramm steht, ist ein Kandidat für den Scheiterhaufen.



Aus gut verständlichem Grund verbieten die Betreiber von Moscheen uns säkularisierten Westlern, also uns "Ungläubigen", den Zugang zu ihren Kultstätten. Nur die in eine Glaubens- und Gebet-Richtung aus- und gleichgerichteten Massen bleiben den Mächtigen hörig, heilsam und hilfreich. "Recht-Gläubige" eben.


Der gläubige Mensch benebelt vom Bitt-Gebet dämmert weiter im grottigen Grauen einer künstlichen Tropfsteinhöhle - im Bann von Bom Jesus.

Wir kurven angestrengt auf den mit Kreisverkehren gespickten Landstraßen nach Braga, was keine 10 Kilometer vom Wallfahrtsort Bom Jesus liegt. Der erste Campingplatz, den wir finden, ist geschlossen. Einen anderen finden wir nicht. Also entschließen wir uns, ein Stück Autobahnfahrt zu bezahlen, um gleich nach Porto zu rollen. Keine 50 Kilometer weiter haben wir nach einer Gebühr von gerade einmal drei Euro dann endlich, endlich einen stillen, gesicherten Platz mit den sanitären und kulturellen Segnungen des Dritten Jahrtausend: Warme Duschen, annehmbare Toiletten und - das Beste - Internet!

Also brennt im Auto ausreichend Licht vom Steckdosen-Strom. Sorglos heizt mir meine noch erste Gasflasche aus Freiburg ein. Es soll irgendwo in der Nähe Nachschub geben, also eine Gastankstelle, die sich darauf versteht, das deutsche Gasflaschen-System zu füllen. Wieso sich in Europa zwar ein Gurken-Krümmungs-Radius durchsetzen, nicht aber ein einheitliches Gasflaschen-System durchsetzen lässt, das ist eines der ungelösten Rätsel dieses unseres immer noch so zerrissenen Kontinents.


Porto, die zauberhafte Hafenstadt im letzten Tag des Februar-Sonnenscheins, lädt uns zum ersten Besuch. Wir radeln in die City immer am Meer entlang, spüren die frische Meeresbrise, riechen, schmecken, fühlen mit vollen Sinnen das Glück unserer Reise. Allerdings fließen mir diese Wörter zu, nachdem mir eine halbe Flasche edlen Bordeaux die Sinne erhebt. Zuvor war mein Körper noch müde von der Radtour und mehr noch gemartert von 2500 Kilometern in den letzten beiden Wochen und kalten, schlaflosen Nächten.


Eine Konstruktion aus Eisen in der Art der Ingenieurkunst gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Das Rippengerüst der Tragekonstruktion erinnert an den Eifelturm. Auch Ludwig der II. hat sich über eine Schlucht bei seinem Lust-, Traum- und Wahn-Schloß Neuschwanstein von Alfred Krupp so eine Stahlkonstruktion hinstellen lassen. Doch in Porto nutzen die Menschen den Bau bis heute, oben die Bahn mit einem zusätzlichen Fußweg, unten Autos und Fußgänger.


In Porto verschließen wir unsere Fahrräder an den Esslokalen am Wasser. Wir erforschen die Stadt als Fußgänger, streichen durch enge Gassen auf der Suche nach einem Lokal der Einheimischen.



Bevor wir einen der Prachtbauten erreichen, welche wie mit 1.6 Millionen EU-Euro renoviert werden derzeit, stoßen wir auf tiefe Wunden in der Bausubstanz. Ganze Häuserzeilen sind zu verkaufen.


Wo einst das gehobene Bürgertum rauschende Feste mit Portwein begossen haben mag, da fehlt heute den Eigentümern das Geld, um die Scheiben in den verschlossenen Ruinen zu ersetzen.



Da wo die "Gute Stube der Stadt" mit Millionen renoviert, erneuert und erhalten wird, da stehen die protzigen Reiterhelden hoch auf den Sockeln, barbusige Bronzeweiber greifen geifernden Bronzerössern in die wallenden Mähnen, der Garten steht wie die Palme grün und gepflegt im Saft. Der Euro rollt und der Lärm tollt. Die Karossen glänzen. Ein, zwei Straßen weiter verblasst das glänzende Bild. Verfall und Moder machen sich breit. Die imperiale Macht von Jahrhunderten ausgeplünderter Länder und Menschen weit, weit überm Meer vergeht gnadenlos mit der zerstörenden Zeit.


Während Rapper und Anarchisten gebückten Ganges mit Sprühdosen und Schlimmerem bewaffnet unter Kapuzenjacken ihr schädliches Werkzeug verbergen, so strecken archetypisch die reitenden Ritter die Rechte gen Himmel. Hallelujah, Hochheiligkeit.


Mir ist unklar, ob in dem dröhnenden Verkehrsgedränge keiner mehr wohnen will, oder ob die Mieten das Gebäudes nicht mehr erhalten können. Jedenfalls bleibt das mehrstöckige Wohnhaus in zentraler Stadtlage ein Sanierungsobjekt.


Der Kontrast zwischen jungen Frauen und alten Gemäuern in der wärmenden Sonne des letzten Tags im Februar signalisiert, dass das Leben doch irgendwie immer noch weiter geht.


Ein Raum in der beflaggten Ruine ist noch intakt. Dort finden wir ein schmackhaftes Mittagsmahl, bestehend aus Suppe, Fisch mit gebratenen Kartoffel- und Möhrenscheiben, sowie einem Glas Bier für neun Euro.


Die Bahnhofshalle begeistert den Betrachter durch blaue Bilder aus Fliesen.


Dieses martialische Metzeln zeigt - laut Inschrift - einen Kampf in Ceuta, also in Nordafrika, im 15. Jahrhundert.


Symetrie und Gestaltung dieses zentralen Platzes in Porto stellen die Pracht mach anderer Städte in den Schatten.


Wer bei diesem Engel nickt, achte, dass kein Flügel knickt.



Barbusige Weiber und wild schäumende Rösser müssen die Fantasie von Pinselstrichern und Bronzegießern in den vergangenen Jahrhunderten in Wallungen versetzt haben. Schon in Lyon fiel mir zu einem solchen Pracht-Weiber-Pferde-Brunnen nur noch ein: Wer wollte sie nicht besteigen, Weiber wie Rösser?



Portugal, es war einmal ein Weltreich. Wenn Deutsche Wertarbeit die letzten Luxuslimousinen aus Untertürkheim und München in die USA und China, nach Russland und Arabien verhökert hat, dann dürfte der Stern auf allen Straßen langsam versinken - wie die Sonne im Meer.


In Porto bleibt zwischen Meer und Himmel nicht allzuviel Raum, um ihn mit Menschen und Gebäuden, Straßen, Gewerbe und Verkehr zu besiedeln.

Seilbahn und Bergbahn bringen die Menschen in die höher gelegenen Stadtgebiete.


Stilvoller ist es freilich, sich selbst seinen Weg durch die winkligen Gassen nach oben zu suchen.



Wäre der Platz nicht schon belegt, würde die Parkbank im engen Hinterhof auch zum ruhigen Schlummern und Dösen laden.



Der Reiter im Kettenhemd fürchtet nicht Teufel noch Tod - höchstens den Zahn der Zeit.


Und wieder und wieder trifft man auf Krone, Kreuz, Kirche - eben Hoch-Heiligkeit-Hallelujah.



Bild von der Eisenbrücke über den Douro und die Stadt Porto wie der Stadt Gaia am anderen Ufer.



Ganze Häuserzeilen in der Altstadt verfallen. Doch wer will dort wohnen, wo es weder Zufahrt noch Parkraum gibt? Vermutlich ist es günstiger, einen Wohnblock mit Meerblick hochzuziehen, als diese alten Stadtschätze zu sanieren.



Ein romantisches Häuschen hat seine Bewohner halten können.


Einst gab es in Porto genug Geld, um imperiale Machtkulissen in Stein zu hauen. Heute wird das Geld wohl schon knapp, um die Pracht vor dem Verfall zu bewahren.


Neben Kirchen und Kathedralen sind landauf, landab die Rathäuser



Wenn ein solventer Mieter wie SIEMENS ein Gebäude braucht, sollte die Instandhaltung gewährleistet sein.


Mit einem Bild vom Vormittag und einem Bild vom Sonnenuntergang schließt dieser dritte Bericht von der Winterreise 2013.




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