31 Januar 2012

Glück genießen gelernt

Der ARD-Mediastream mit dem Tatort vom Sonntag abend brach kurz vor der Aufklärung der Mordtat ab. Die Verbindung reichte nicht mehr. Das Thermostat der Gasheizung hält meinen Raum mit 23 Grad wohlig warm. Der Bordeaux Superieur funkelt im Glas und belebt die Sinne. Durch den Tag hielt sich mein sonniges Wohlbefinden - selten genug in meinem Leben.



Unglaublich: 4000 Kilometer entfernt von München liefert 3G-Maroc Telecom einen Internetstream von bis zu 1500 KBps. Die Geschwindigkeit reicht, um über das Internet Fernsehsendungen zu streamen.

Die mediale Verbindung mit der kalten Heimat - bis zu minus 20 Grad - beschäftigt mich mit aktuellen Nachrichten. Die soziale Situation in der kalten Heimat ist soweit nicht entfernt von der in den Maghreb-Staaten. So steht im Blog von Jacob Jung über die Ungerechtigkeit als gesellschaftliches Prinzip: "28.1.2012 – Die ursprüngliche Grundlage aller demokratischen Konzepte ist die Überzeugung, dass es in den Gesellschaften gerecht zugehen soll. Der Begriff der Gerechtigkeit beschreibt dabei einen Zustand, in dem Chancen und Güter angemessen und gleich zwischen allen Beteiligten verteilt werden."



Dem Affen reichen verwertbare Nahrungsreste aus dem Müll. Der Mensch muss sich aus dem Medienmüll seine geistige Nahrung ebenso mühsam suchen.



Die Einsendungen im Forum von SPON stimmen zumeist und tendenziell mit meiner Meinung überein. Doch darum - um unseres Volkes Stimme - scheren sich die Eliten aus Militär, Wirtschaft und Politik einen Dreck.



Kleine Leute freuen sich an kleinen Vergnügungen. Der See unter dem Wasserfall von Oudzoud erscheint mir wie eine Pfütze. Doch die Menschen freuen sich, wenn sie der Fährmann durch die sprühende Gischt rudert.



Wasser, das tosend fällt, erscheint mir wie ein mystisch engen Bezug zum Leben des Einzeln wie der Vielen im Kollektiv: Jeder fühlt die Schwerkraft als das herrschende Gesetz.



Wieder und noch einmal haben die mürben Bretter auf den rostigen Eisen-U-Profilen die Last eines Touristen, des guten Johannes, gehalten.



Wie seit ewigen, uralten Zeiten pflügt der Mann mit Esel und Muli die Erde.



Nach längerem Weg am schattigen Fluss belohnen wir uns mit einer Kanne Minz-Tee, die uns der freundliche Teeverkäufer für 10 DH bereitwillig serviert. Johannes übt sich in der Kunst des Einschenkens ins schlanke Glas aus der Kanne in größerer Höhe.

Der Tag geht zur Neige. Wieder erwarten wir in der Stern klaren Nacht Eis auf dem Dach. Die Mondsichel nimmt zu. Doch um die Wärme im Raum zu halten, bleiben die Rollos geschlossen. Nur die Dachluke über dem Bett soll mir den Blick in den Nachthimmel offen halten.

Fazit: Glück genießen gelernt - jedenfalls schon ein wenig besser als in Fes. Das Tagesmotto "Glück genießen gelernt" setzt sich fort. Eine Fahrt nach meinem Geschmack. 64 Kilometer wunderbare Landstraße bis auf die Höhe von 1400 Meter, an blühenden Mandel- und Pfirsichbäumen in zart rosa vorbei, im Hintergrund die Schnee bedeckten Häupter des Hohen Atlas. Kein verzweifeltes Fortkommen wie auf der 11 Kilometer langen Stichstraße nach El Hammam.



Die Stichstraße nach El Hammam mussten wir wieder durch all die gleichen Schlaglöcher und Widrigkeiten zurückfahren.



Auch die romantische Fahrt nach Oudzoud mit über 200 Kilometern war mir noch viel zu weit auf den holprigen Wegen.



Doch 64 Kilometer kurvenreiche, fast leere Landstraße am Rande des Hohen Atlas von Oudzane bis zum Stausee Bin-el-Quidane ist eine Fahrt und eine Strecke nach meinem Geschmack!

Dann noch dazu die herrlichen Geschichten und Fahrtipps wie von "Häuptling Silberlocke", einem 72jährigen pensionierten GSG9-Soldaten. Wir hätten noch stundenlang über Mogadischu und diese Zeiten plaudern können, wenn nicht den Häuptling sein Chef, also seine Frau, zum Appell gerufen hätte. Doch auch wir wollten ja weiter, wenigstens eine Stunde weiter.



"Häuptling Silberlocke" vom Nordfriesischen Campingclub fährt schon seit Jahren durch Marokko und führt andere an, wie er es als GSG9-Kommandant gelernt hat.

Hinter der Staumauer finden wir einen angenehmen Ort. Außer unseren beiden Autos gibt es keine weiteren Gäste. Die Sonne knallt mit Kraft. Die Vögel zwitschern. Schmetterlinge flattern. Ziegen meckern. Idylle pur.

Ein Platz wie im Paradies - ganz für uns allein im Frühlingssonnenschein unter der Staumauer von Bin-el-Quidane.

Der Weg in den idyllischen Ort am Stausee führt über die Staumauer zum Stausee, der das Wasser von zwei Flüssen aus dem Hohen Atlas sammelt. Das Bild dazu unterbleibt wohl besser, weil vor der Mauer mehrmals Schilder stehen: Fotografieren verboten!

Zur leidigen Politik, die Jacob Jung in seinem Blog mir heute morgen in seinem beachtlichen Beitrag so passend beschreibt, ging noch mein Kommentar über die Leitung. Ob Jacob Jung meine Meinung freischaltet, lässt sich ja am Abend verfolgen. Denn auch in Bin-el-Quidane reicht die Internet-Verbindung, um neben den Blog-Berichten noch Nachrichtensendung zu hören. Es ist ja auch wichtig, hier in der Bergidylle nichts Wichtiges wie Stauwarnungen rund um München zu vermissen.



Abseits der Mainstream-Medien wie von BILD, SPIEGEL und PRALINE lassen sich wirkliche Perlen aus dem Müll der Meinungen fischen - wie im Blog von Jacob Jung.

2 Kommentare:

MONAS hat gesagt…

Wer das Glück genießen kann, fürchtet das Unglück, wer das Unglück genießen kann, der ist glücklich …drab lahdid ma hadu skhun

tikrofan hat gesagt…

Hallo n0by und Johannes,
verfolge Eure Reise mit dem Tikro mit großem Interesse und Respekt! Viel Glück weiterhin.
Gebt einen Reisebericht beim Tikro -Treffen 2012.