Wer Marokko im rollenden Luxus zwischen 10 und mehr als 100 Tausend Euro bereist, darf sich nichts vormachen: Die Reise geht durch ein Dritt-Welt-Land, auch wenn sich der Tourist nahezu alle Annehmlichkeiten kaufen kann.
Ein "Saftladen" ähnlicher Art lässt sich überall auf der Erde finden, wo zahllose Menschen mit einem Minimum existieren müssen.
Man sollte sich nichts vormachen lassen, wenn die Menschen den Touristen fröhlich anlachen und freundlich bedienen. Kontinente und Welten liegen zwischen "uns" und "ihnen". Was daheim in den Tonnen der Altkleidersammlung landet, liegt hier "säuberlich sortiert" auf den Gehsteigen, um Verkäufer dieser Ware zu ernähren. In Deutschland müht sich niemand, aus einem Haufen zerknüddelter Strumpfhosen auf dem Gehsteig eine Passende auszuwählen. Der Schuhverkäufer schafft aus einzelnen Schuhen ein buntes Angebot auf dem Straßenpflaster. Für den Kunden sucht er den dazu passenden zweiten Schuh aus den Tiefen seines Karrens. Hungriges Rindvieh mit eingeschrumpften Eutern schiebt sich über roten Lehmboden, den mehr Plastikmüll verschandelt als ihn Grün und Gras belebt. Regen fehlt oder fällt aus.
Hungrige Rinder suchen sich zwischen Plastikmüll ihr Gras.
Auch der begeisterte Blick über die blaue Lagune täuscht allzu leicht. Irgendwann im Laufe der Jahre tauchen atomisierte Teile des Plastikmülls in der menschlichen Nahrungskette wieder auf. Bestenfalls erkranken und sterben erst Einzelne an den unausweichlichen Folgen, schlimmstenfalls säubern Seuchen Stadt und Land von unverantwortlich wirtschaftenden Menschen. Alternativ erschlagen sich Menschen im Kampf um schwindende Wasser- und Nahrungsquellen.
Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte landet der Plastikmüll im Wasser der Lagune, in Fischen und Muscheln und so auch im Körper der Menschen.
Die Touristen, welche in ihren Plastiktonnen, unseren WoMos, durch das Land rollen, staunen über die Schönheit des Landes. Die sich - auch um uns - mühenden Menschen, mögen uns vielleicht wie einstmals die Kreuzritter erscheinen, welche den Menschen ihren Glauben bringen wollten. In meiner rollenden Tonne heizt die Energie der 11-Kilo-Gasflasche den Raum angenehm warm. Das Außenthermometer müht sich mit steigender Sonne schnell von drei, vier Grad kalten Nächten zu wärmeren Werten. Doch in den Hütten und Häuser ringsum leben die meisten Menschen wohl in ungeheizten Räumen. Der für unsere westliche Wertewelt unverzichtbare Energieverbrauch wäre hier vielleicht durch Sonnenkraftwerke zu gewinnen. Doch davon ist nichts zu sehen. Bestenfalls erhitzt die Sonne Wassertanks auf den Dächern.
Was mich vorrangig beschäftigt, ist die Tatsache, dass wir zum gedeihlichen Miteinander einen gerechteren Ausgleich der Interessen brauchen. Wir bringen uns als Gier-, Geiz-, Gewalt-, Genuss-Gesellschafter meiner unmaßgeblichen Meinung nach an den Rand des Ruins und darüber hinaus.
So lässt sich meine nutzlose Meinung im SPON-Forum auch aus dem morgentlichen Marokko verbreiten.
Nach diesen Blog- und SPON-Foren-Einträgen setzen wir gegen 10.00 Uhr unsere Fahrt Richtung Süden fort. Wir wollen uns die Autobahn sparen. Die parallel zur Autobahn laufende Landstraße ist in ruinösem Zustand. Wir brauchen für 40 Kilometer knapp zwei Stunden. Wir fahren durch Elendsdörfer, wie sie mir beim ersten Marokko-Besuch vor 40 Jahren noch romantischer vorkamen. Jetzt umrahmt die Dorfstraße eine endlose Plastikflut. Kinder winken uns zu. Das nachfolgende Auto von Johannes bewerfen sie mit Schmutz - manchmal auch Steinen. Irgendwann zwingt uns die Straße, doch die Autobahn zu wählen. Wir schaffen es für knapp zwei Euro sehr schnell von Bidi Alla bis Kenitra Nord. Dort verlassen wir die Bahn, um die Stadtdurchfahrt mit dem Navi auszutesten. Unsere Geschwindigkeit geht auf einen Schnitt von 20 km/h dabei zurück. Doch nach gefühlten zwei, drei Stunden gelangen wir unbeschadet aus dem Straßengewühl wieder auf eine freie Strecke.
In einem komfortablen Straßenrestaurant stärken wir uns. Endlich laufen wir gegen 15.00 an der Stadtmauer von Rabat auf dem zuvor ausgewählten Platz ein. Dazu mussten wir die Altstadt von Medina, welche eine lehmrote Stadtmauer ziert einmal umfahren. Zwischen Parkplatz und Fischerhafen verläuft eine Hauptverkehrsstraße, welche uns vermutlich eine lebendige Nacht verschaffen dürfte. Doch zuvor setzen wir mit einem Kahn über, um auf der andere Seite uns auf den Weg in die ursprünglichere Stadt Sale zu machen. Der Weg lohnt sich.
Der Stellplatz an der Altstadt-Mauer von Rabat liegt leider neben an einer lauten Verkehrsstraße.
In Sale dient uns ein Führer seine Dienste an, um uns die besten Blicke auf die große Moschee zu zeigen.
Der Besuch der Moschee zeigt uns die Koranschule mit den einzelnen Gemächern der Schüler. Der Blick vom Dach der Moschee gibt uns einen berauschenden Ausblick über Sale und Rabat.
Obgleich während dieses Blog-Eintrags schon seit einer Stunde der Muezzin von der Moschee in Rabat singend predigt, bildet die Koranschule in Sale niemanden mehr aus.
Von der Moschee überblicken wir das Häusermeer von Sale und Rabat.
Unser freundlicher Führer lässt uns noch einen Blick über den Friedhof von Sale werfen, bevor er sich wieder an seinen Arbeitsplatz vor der großen Moschee begibt. Nach dieser kurzen Rundtour von etwa einer halben Stunde bieten wir für die freundlichen Dienste 10 Dirham, also etwa einen Euro an. Doch empört weist er die Gabe zurück. Er verlangt 200. Er bekommt nach einigem Palaver 30 Dirham, bevor wir den Weg durch die Altstadt von Sale fortsetzen.
Die Altstadt von Sale überwältigt in engsten Gassen mit einem ausufernden Warenangebot: Kleider, Fische, Gemüse, Fahrräder, Hausrat etc.
Weil durch die engen Gassen höchstens Mopeds knattern können, bleiben die Waren immerhin frei von Abgasen.
Doch wir wollen weder braten noch kochen in unseren rollenden Häusern. Uns sättigen beinah schon Gerüche und Eindrücke. Bei untergehender Sonne finden wir zurück zum Kahn, welcher uns auf die Seite von Rabat zurückbringt. Der Muezzin übertönt nach knapp einer Stunde nun nicht mehr den Straßenlärm. Beschaulich klingt der Abend mit einer heutigen Zeitung LE MATIN, einer flotten Internetverbindung bei Wein, Käse, Oliven und Brot nun aus.
Der Platz an der Altstadtmauer in Rabat war uns nur bis 22.00 Uhr vergönnt. Dann klopften mich Wächter oder Polizisten aus dem Schlaf. Wir mussten in zehn Minuten verschwinden. Der Platz sei nur zum Parken, nicht zum Camping erlaubt. Also sollten wir etwa 10 Kilometer südlich auf einen Campingplatz fahren. Die Straße gen Süden war frei. Alle sechs, sieben Kilometer fragten wir Polizisten nach dem Campingplatz. Die etwa 10 waren de facto 22 Kilometer. Dann endlich, bei der vierten Polizeistreife, direkt an der Gendarmerie Royale war ein kleines weißes Sc hild "Camping" auszumachen. Und auch das nur nach einer weiteren Runde um den Block und Fragen beim Saftladen-Mann. Nun aber endlich hoffen wir im eingezäunten Camping-Areal neben der Polizeistation auf eine gute, lange, tiefe, ruhige Nacht.
Doch der nächtliche Umzug hat sich gelohnt. Immerhin dürfen wir am Campingplatz ein komfortables Klo benutzen. Hierbei darf man allerdings das Hockklo nicht mit Papier verstopfen. Der Abfluss ist nämlich meist nicht dicker als ein Gartenschlauch. Neben dem Abtritt lässt man Wasser in ein bereitstehendes Gefäß laufen. Mit der rechten Hand schüttet man sich das Wasser über den Hintern, mit der linken Hand wischt man sich sauber. Um den nassen Arsch nicht in die Hose stopfen zu müssen, empfiehlt sich den doch ein Papiertuch. Dieses aber keinesfalls in den Abtritt-Abfluss werfen, sondern im Müll entsorgen. Anschließend Hände waschen nicht vergessen, wobei mir die Plastikdosen von Filmrollen als Seifenschachtel in der Tasche nie fehlen dürfen.
Soviel dazu. Danach, erst danach, kann der Tag erfolgreich werden.
Nachdem wir von der Stadtmauer in Rabat 22 Kilometer weiter auf einen Campingplatz verwiesen wurden, dürfen wir morgens aber auch dessen Klo nutzen.
1 Kommentar:
Grüße aus Osthessen ...
LoL
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