30 April 2015

Selinute, Mazarro del Vallo, Agrigento, Punta Bracceto

Ohne politischen Pestilenz, um meiner Liebsten daheim schneller von meiner Reise zu berichten. Mein Weg führte vom griechischen Trümmer- und Tempelfeld Selinute nach Mazarro del Vallo, dann weiter gen Osten nach Agrigento ins "Tal der Tempel" und meist am Meer entlang zum Punta Bracceto.


Voller Tank und Kühlschrank, Wasser, Wein, Brot, Obst, Sonne, Sand, Strand, Meerbad - so lässt sich ruhen während der Reise.



Fast jeder mag  bunte Bilder bestaunen, doch wer sieht die Geschichte hinter den Trümmern? Wer sieht tausende Sklavenarbeiter, die wie heute Fußballarenen und Hochhäuser in Kartar, aus dem Nichts, aus Steinbrüchen brechen? Wer gedenkt der Kriege, um Arbeitkräfte zu versklaven und Rohstoffe abzupressen? Die Fakten hinter süßen Träumen sind oft so furchtbar, dass man lieber die Augen davor schließt.


Wochenend und Sonnenschein: Unter den Sonnenschirmen und Freizeitzelten lassen es sich die Sizilianer am Meer in einer vor Wind geschützten Bucht gut gehen. Der salzige Meereswind trägt den Duft von Grill Gebratenem Grill herüber.


Wilde Jungs auf Mopeds: Mit halsbrecherischem Tempo und teils in artistischer Körperkunst zeigen beweisen sich die Burschen. Blind und bedingslos vertrauen die Mädchen ihren tollen Kerlen. Ein Motorroller schlägt in den Bodenwellen bis auf die Federn durch. Denn vier Jugendliche quetschen sich auf das überladene Zweirad. Im Fußraum hockt einer, auf der Sitzbank drei andere. Ein junges Mädchen mit flatternder Mähne schlingt Arme und beide Beine um ihren Mopedritter. Die Jungs und Mädchen auf dem Bild haben Schutzhelme auf, was eher selten ist.


Selinute: Oben rechts im Bild sieht man schon ganz klein den griechischen Tempel. Wegen dieser Tempel steht für Reisende Silinute auf dem Programm.


Auf dem Weg zum Trümmerfeld der griechischen Besatzung erstaunt mich dieser Weltkriegs-Bunker, der wohl wie griechische Tempel ewig steht.


Nachdem mir die Sizilianische Kultur- und Güterverwaltung meinen obligatorischen Obolus von sechs Euro abgenommen hat, führen mich anstrengende Stunden durch das weitläufige Tempel- und Stadtgelände.


Diese historischen Trümmerfelder ziehen Touristen an wie Limonade die Wespen. Es dauert mir aber stets zu lange, den geschichtlich kulturell wertvollen Ausführungen der englischen, französischen Reiseleiter zu lauschen. Mir erklären sich die Trümmer wie von selbst.



Was mir dann in ausführlichen Sätzen mein Reiseführer erzählt, reicht mir vollkommen. Im siebten Jahrhundert von den Griechen gegründet, in dauerndem Streit mit den Besatzern von Segesta, wo die Karthager hausten. Trotz ausgefeilter Militärtechnologie wie Ausfall-Bunkern für die Fußtruppen unterstützt von damals neuesten Kriegswaffen wie Katapulten, sieht der Besucher, was von all der Pracht geblieben: Ruinen. Erdbeben haben geholfen, die Hunderttonnigen, handbearbeiteten Säulen und Dachsteine durcheinander zu würfeln.



Nun will man sich ja als Tourist nicht nur träumerisch am Meergestade hinlümmeln, sondern auch erforschen, wie vor 2500 Jahren Priester und Politiker von versklavten Kriegsgefangenen ihre "Heiligtümer" und "Tempel" hinklotzen ließen.


Nachdem Busladungen ihre Reisegesellschaften auf die Großparkplätze gekippt haben, Reiseleiter und mehr noch -leiter_Innen ihre Schafe gezählt und in Reih und Glied gebracht haben, rauschen elektrisch getriebene Lastzüge heran, die Menschen durch das weitläufige Gelände karren. Mir gefällt es mehr, mich als einsamer Wanderer abseits fort zu schleichen. Dies kleine Brückchen im schattigen Winkel erinnert mich an meine Lieblingsbrücke über eine Abzweigung des Eisbachs in München Freimann.


Der Eismann weiß um die Nöte der Wanderer. Sein motorgetriebenes Dreirad steht gerade auf der Höhe, wo die Fußwanderer sich nach Kilometer langem Marsch hingeschleppt haben.


Von den griechischen oder nordafrikanischen Kähnen, welche hier ihre Soldateska entladen haben, sind diese Anker geblieben. Auch sie sind aus Stein gehauen.


Obgleich man mir Spuren der Erschöpfung ansieht, quält mich mein Ehrgeiz noch einige Kilometer weiter. Denn dort am Ende des Geländes ist wiederum ein großes Heiligtum angekündigt: Der Fruchtbarkeitstempel mit Demeter-Quelle.



Zudem lässt sich auf dem Weg inspizieren, wo die Experten Steuer-Millionen aus den Euro-Töpfen verbraten lassen.



Während laufend Sand und Kiesel in meine Sandalen schlappen, rauscht hier der Elektro-Zug mit geruhsameren Gestalten an mir vorbei zur "heiligen" Demeter-Fruchtbarkeitsquelle.


Zwar lockt das Meer zur köstlichen Kühlung nah dieser Grundriss-Ruine mit Seeblick. Doch meine müden Knochen schaffen den Abstieg nicht.


Wo die Elektro-Züge allerdings nicht halten, offenbart sich mir diese Rundbogen-Architektur, die einstmals zu einem feudalen Badehaus geführt haben mag. Jedenfalls erinnert die Wanne daran.



Nachdem von der Demeter-Fruchtbarkeitsquelle kaum mehr als diese Steine in kunstvollen Anordnung und Bearbeitung geblieben sind, reicht es mir. Mit demütiger Gäste gelingt es mir, einen Schwarzfahrer-Platz im Elektrokarren bei den anderen Rentner einzunehmen. Da die Reiseleiterin allerdings bei ihrer Zählung auf die erforderliche Sollzahl gekommen ist, hätte der Zug beinahe eine Nachzüglerin vergessen. Doch lachend vergibt man mir, diese Aufregung verursacht zu haben. Obgleich ein ergrauter Oberlehrer mir noch meine sechs Euro Gebühr für die Fahrt abnehmen will, zum Lachen!



Griechische Shopping-Mall, allerdings ohne Läden und Waren. Doch mit etwas Fantasie lässt sich dort leicht ähnliches Treiben vorstellen wie heute in jedem Stadtrevier.


Gerade zu anrührend nach den Zweieinhalbtausend-Jahrestrümmern mutet dies Stilleben an. Aber leider gelingt mir bei aufkommendem Wind gegen Abend kein Schlummerstündchen auf der Bank.


Schon mehrere Schilder und die Sicht aus der Ferne haben diese Säulenreihe als "Akropolis" angekündigt. Ein direkter Abstieg zurück war von diesem Bauwerk nicht machbar. Man musste erst gefühlte Kilometer an der Wehrmauer entlang schleichen, bis man auf den staubigen Kiesweg Richtung Ausgang kam.


Inwieweit das gut gerüstete Bauwerk nun renoviert oder erhalten werden soll, lässt sich nicht feststellen.


Die Mauerpforte lässt darauf schließen, dass dies Heiligtum und Herrschaftsgelände mit unliebsamen Besuchern rechnen musste. Der Marsch von Segesta nach Selinute hat die Krieger damals ja nicht so erschöpft, dass ihnen nicht noch genug Kraft zur blutigen Schlacht vor den Mauern geblieben wäre.


Es fehlt mir die Chupze, mich ein weiteres Mal als Schwarzfahrer nach der Besichtigung der "Akropolis" im Elektro-Zug einzuschmuggeln. Man beachte das Schild links am Baum "DIREZIONE ACROPOLI".


Endlich im Auto "daheim"! Nach bald vier Stunden in der griechisches Trümmerstadt zeigt mein Asyl im Camp Athano Stil und Reichtum. Leider gibt es nur in diesem pompösen Gasthaus WiFi, aber die Duschen sind dank Sonnenschein auf den Solarkollektoren heiß.


Anderntags geht es 17 Kilometer zu den Steinbrüchen Cava di Causa. Dort lässt sich besichtigen, wie Sklaven aus den Felsen in Handarbeit die hunderte Tonnen schweren Steinklötze heraus hauen  mussten. Nachdem die Truppen aus Segesta die Griechen aus ihren Festungen und Heiligtümern verjagt hatten, blieb das Werk unvollendet.


Dieses Stück schöner Säule war schon fertig. Es fehlte nur noch der Transport zur Tempelstadt.


Es ist mir unvorstellbar, wie magere Menschen aus einem Felsen diese Säule herausarbeiten konnten. Man beachte den engen Rundgang zwischen Felsgestein und Säule.


Die holprige Zufahrt zu der archeologischen Sehenswürdigkeit Cava di Causa ist von solchen Lampen gesäumt. In fast jeder dieser Lampen hat sich eine Vogelfamilie ihr Nest gebaut. Bei der Bruthitze hinter den Glasscheiben dürften sich die Eier wie von selbst ausbrüten.


Von Hunderten Camps, die mir in den letzten fünf Jahren Asyl gewährt haben, hatte keines einen solch feudalen Sanitärbereich wie das Sport Village bei Mazara del Vello.


Vor der Radtour in die Innenstadt von Mazara del Vello sind bei den aufziehenden Wolken alle Dachluken zu schließen. Und wirklich: Ein kurzes Gewitter zieht mit Donner und Blitz über die Stadt, bringt etwa 10 Minuten lang Regen. Danach trocknet die Sonne mich schon wieder auf dem Weg ins Camp.


In dieser Kirche am Meer trauern Hinterbliebene über die Opfer, die die Arbeit auf See gefordert hat.


Das Monument über der Eingangspforte symbolisiert den Sieg über...


...Muslims. Man erkennt dies am Turban und dem Gewand des Besiegten am Boden.


Schatten ist der wahre Luxus in der Sommersonne Siziliens.


Der Einfluss der Araber spiegelt sich in der Architektur.


In Portugal findet man Kirchen, die vollständig mit Kampfszenen gegen Turbanträger mit Krummsäbeln gekachelt sind. Diese Kacheln in Mazara del Velo erinnern mich daran.


In der stinkenden Flußbrühe verrotten einige Kähne. Bleibt nur zu hoffen, dass der weiße Vogel seine Füße aus dem schwarzen, stinkenden Schlick ziehen kann.


Ein weiterer Kahn, der schief im Schlick liegt.


Ein Pflanzgarten auf dem Gehsteig am stinkenden Fluß: Aus alten Ölkanistern gedeihen Gartenkräuten.



Ein Platz wie aus dem Bilderbuch: Eraclea Minoa Village. Die Aufseherin vom Camp nimmt meine Personalien auf und markiert mich mit einem grünen Plastikband.


Nachdem nun meine Heimstatt eingerichtet ist, soll die Aufseherin mein Stromkabel anschließen. Doch sie mosert. Mein gewählter Platz sei ein Parkplatz, weswegen sie mich unten an den Strand verscheuchen will. Weil mir das alles zu dumm wird, geht mein Weg nochmal 30 Kilometer weiter nach Agrigento. Ein weiteres "Muss" für Sizilien-Reisende, weil dort das "Tal der Tempel" und die Altstadt von Agrigento zu besichtigen sind.


Nicht schon wieder: Nach Segesta und Selinute reicht mir ein Blick aus der Ferne auf diesen eindrucksvollen Tempel. Dafür geht es anderntags mit gestärkten Kräften in die Altstadt von Agrigento.


Während die Sonne schnell das Land aufheizt, haben die beiden Pedalritter aus dem Sauerland schon ihre sieben Sachen verstaut. Heute steht ihnen eine 60 Kilometer-Tour bevor, bei der sie auf Rückenwind hoffen.


Die Uhr am Bahnhof von Agrigento zeigt 10.00 Uhr morgens. Die beste Zeit, einen geruhsamen Altstadtbummel zu beginnen.


Der faule Hund wird erst Mittags munter, um sich einige Bissen von den Spaziergängern zu erbetteln.



Neben einer gemächlicher steigenden Straße zur Domhöhe führen auch steilere Treppen direkt nach oben.



Von den neun Sehenswürdigkeiten, Museen und Kirchen, welche der Plan anzeigt, erspart sich mein genußvoller Spaziergang die meisten. Hier fallen die engmaschigen Schutzgitter um die Kirchenglocken auf, die Vögeln den Zugang zu den Nischen verwehren.



Da die wenigen Straßen in der Altstadt und zum Dom auf der Höhe zu eng sind, herrscht in der Kirche erholsame Stille.



Der nächste herrenlose Hund genießt vor dem Schmuckgeschäft Swarovski die Morgensonne. Aggressiv erschrickt mich eine junge Bettlerin, die mir ihren Plastikbecher direkt und unvermutet bis kurz unter meine Nase schlägt.



Bei der hohen Kirchendichte, einer alternden Bevölkerung und sinkenden Steuereinnahmen fällt es schwer, die Bauten zu erhalten.



Von einstigem Glanz zeugt das Portal von San Lorenzo bis in heutige Zeit.






Der Blick zur Decke im Dom zeigt ein herrschaftliches Wappen.


Im Dom wieder die Pracht von Jahrzehnten kunstvoller Arbeit.

Da der Dom auf dem höchsten Platz der Stadt steht, die Besichtigung die engen Treppen zum Balkon und zu den Glocken frei gibt, berauscht sich der Pilger am Blick über Agrigento hinunter in das fruchtbare Tal und zum Meer.



Wind vom Meer trocknet Wäsche.


Wie die Altstädte in Portugal zeigt auch die Altstadt von Agrigento den Verfall.



Geruhsam begann die Besichtigung und ebenso klingt der Bummel durch Agrigento aus.



Die Renovierung hat noch nicht begonnen.


Sieben Kilometer unten im Tal liegt das Camp in San Leon. Von dort sind es nur ein paar Schritte zum Meer. Im Hafen von San Leon liegt dies Schiff namens Mare Nostrum.


Letzter Abend in San Leon: Im Licht der Abendsonne strahlt das herrliche Agrigento über dem Tal der Tempel. 


Nachdem dies nun schon mein vierter Winter und Frühling auf der Achse ist, ermüdet mich die Fahrerei zunehmend schneller. Die 115 Kilometer von San Leon zum Camp Luminoso am beschaulichen Punta Braccetto dauert zwar nur etwa drei Stunden. Doch die Holperei durch Schlaglöcher, die Kurverei durch enge Ortsdurchfahrten bei zwar nur 20 Grad Celsius strengt an. Zudem strahlt die Sonne auf die Frontscheibe, dass es im Wagen wie im Gewächshaus sich anfühlt. Aber dann steht die Kiste endlich zur Mittagsruhe. Ein Bad im noch kühlen Meer erfrischt, die Duschen sind super, man hat seinen eigenen Sanitärraum mit Schlüssel. Eine Radtour immer am Meer entlang am Nachmittag macht Freude.


Punta Secca: Kein Mensch kann sich die Namen all der Orte merken. Mir gefällt die Dorfstraße mit Blick auf das Kirchlein und den Leuchtturm.


Am Hafen von Marina di Ragusa endet meine Radtour. Der Mastenwald hochseetüchtiger Segler dürfte einige Millionen wert sein. Die Schiffe laden ihren Strom an den gleichen Säulen wie meine Straßenyacht.


Wie in Südspanien erstrecken sich auch hier Gewächshäuser über Kilometer. Die Tomaten sind reif. Italienische Camper rennen mit Säcken auf abgeernte Felder auf den große Haufen Tomaten liegen geblieben sind. Die dürfen sie sich einsammeln. Bei den Mengen an Wasser, welche diese Landwirtschaft braucht, wundert es nicht, dass im Camp Luminoso an den Wasserhähnen Schilder warnen: "Kein Trinkwasser". Salz brackige Brühe kommt aus den Leitungen.


So sieht nun also der Zugang zum Strand vom Camp Lumino aus. Internet, SAT-TV, warme Duschen - nur eben kein Trinkwasser. Meine Frau kommt gleich von der Arbeit. Wir plaudern per Skype. Sie freut sich mit mir über die Reisebilder und -berichte. An der Politik ändern wir ohnehin nichts. Also freut sie sich mehr, wenn dieser Bericht ohne aktuelle Spitzen zum Zeitgeschehen auskommt. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

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