20 Januar 2012

Mit Walkuh und Schneelöwe in Afrika

Die Wunderwelt beginnt, wo Orangen- und Olivenhaine meine Erlebniswelt bereichern. Palmen wedeln ihre grün-gigantischen Blattfedern. Kakteen locken mit roten, stacheligen, eiförmigen Früchten. Störche siedeln auf dem römischen Aquadukt in Merida, in Südspanien. Die Abendluft schmeichelt mit milden sieben Grad. Nachts friert es nicht mehr. Die Mittagssonne lässt mich Sandalen suchen und anziehen. Urlaub beginnt. So fühlt sich Freiheit an.

Johannes fährt seinen Peugeot 4-Zylinder mit 131 PS. Mein VW-Crafter brummt mit einem zweieinhalb Liter 5-Zylinder mit 136 PS. Diese Basisfahrzeuge hat Seitz unter dem Name "Tikro" zu Wohnmobilen veredelt. Auf diesen Gefährten, nennen wir sie Walkuh und Schneelöwe, erkunden wir die Welt. Wir fahren, essen, kochen, schlafen und entsorgen uns in den Autos. Die Dusche lässt sich im Fahrzeug oder über eine Service-Klappe auch außerhalb nutzen. Nach konzentrierten Fahrstunden kurven wir aus Valladolid, um einen Platz für die Nacht zu finden. Wer zu spät seinen Schlafplatz sucht, läuft Gefahr auf einem Parkplatz wie bei IKEA in Valladolid zu nächtigen. Reisen bildet. Das strengt an.



Manche Nachtplätze, wie den IKEA-Parkplatz in Valladolid, möchte man im Laufschritt im Morgengrauen verlassen.

Jedenfalls spricht Johannes schon wie Klaus, der Reiseprofi. Johannes meint: Wir machen keinen Urlaub, wir machen eine Reise. Klaus fährt mit dem Motto in die Ferne: "Reisen sind keine Erholung, Reisen sind schwere Arbeit." Mir wird so wohl im Land, wo statt stattlicher Autos gelb die Zitronen blühen. Verständlich, wenn daheim niemand mehr still sitzt - außer vorm Fernseher. Verständlich, wenn daheim kaum einer noch still sitzen kann oder will - außer beim Essen oder in Konferenzen. Mein Motto auf Reisen ist daher, wieder still sitzen zu lernen. Sich nach der Welt der Arbeit wieder selbst zu leben. Das heißt: Die Eroberung der Langsamkeit!. Das steht auf dem Programm, auf meinem Programm. Nur so beflügelt, bereichert, beglückt sich meine Erlebniswelt wieder mit all den wonnigen, sonnigen Eindrücken. "Aber Hallo! Sind wir denn auf der Flucht ins Exil oder sind wir nicht endlich ein wenig angekommen? Angekommen bei uns selbst, in uns selbst? Muss man denn immer noch um sein Leben rennen? Sich mit anderen armen Hungerleiden um bessere Plätze an den Futtertrögen beißen?" Muss man nicht. Nicht mehr. In einem Monat beginnt mein 64. Jahr. Johannes hat das schon geschafft. Wer sich Zeit für die Zeitung nimmt und selbst noch Todesanzeigen liest, der merkt es doch: Es geht heim. Auch Namen vergleichbar junger Menschen mit der Gnade der späten Nachkriegs-Geburt holt Freund Hein.

Zurück ins Leben, zurück zur Reise: Die Fahrt von Valladolid über eine bis mehr als 1000 Meter hohe Ebene war nass und neblig. Die Höhen zierten Schnee. Mittags wurde es wärmer. Erlösend rissen die nebligen Wolken auf. Die Sonne funkelt auf eine stille, kahle Landschaft mit Wiesen, Pinien und Korkeichen. Schafe weiden. Wo ein Wasserloch auf eine fette, feuchte Weide weist, da grasen schmucke, schwere Rinder - braun bis schwarz. Die Tiere schreiten mit majestätischer Größe und Grazie zum Saufen.

Die 400 Kilometer von Vallaloid nach Merida sind schon ein stolzes Stück Strecke. Weniger aufgeblasen, aber auch richtig: Die Fahrerei geht mir auf die alten Knochen. Dass noch Nebel mit Sichtweiten von kaum 100 Metern die Fahrt erschwert, kostet zusätzlich Kraft. Der Gipfel der Fahrt stellt sich in der Kaffeepause ein: WiFi am Tankstellen-Cafe. Der erste Bericht, der in Nacht auf dem IKEA-Parkplatz bei Valladolid entstanden ist, geht im WiFi-Caffee an der Tankstelle in einer halben Stunde über die Leitungen in die WWW-Welt - mitsamt 16 Bildern. Denn mein Material war halbwegs vorbereitet, nur nicht letzlich korrigiert.

Als wir schön sanft und zögerlich nach Merida einlaufen, finden wir endlich den ersten Supermarkt in Spanien: ALDI. Na gut, die Tomaten, Gurken, Paprika dort sind zwar keine Bio-Ware, doch Brot und Käse, Batterien allemal, lässt sich dort kaufen mit einer Flasche Rotem, dem Teuersten natürlich - immerhin knapp über fünf Euro. Das Leben ist zu kurz, um billigen Wein zu saufen.

Manche Plätze, wie dieser in Merida, laden ein, länger zu verweilen.

Merida lädt ein, am Fluss zu verweilen. Wir durchwandern die Stadt mit den römisch-musealen Schätzen, besorgen uns im Touristenbüro Material, vermeiden es jedoch, Museen zu besuchen. Die Stadt bietet Museum genug. Nach dem gemeinsamen Abendmahl, einem Eisbergsalat von ALDI, wandern wir wieder am Fluss entlang. Die Klänge einer wilden Trommelsession locken. Im Park dabei studieren junge Damen und Mädchen die Choreografie für die Touristensaison ein. Keine 50 Meter entfernt schlagen junge Burschen in gekonnt kunstvollen Rhythmen auf Trommeln verschiedener Größe melodische Klangwelten in den Abendhimmel.

Merida schmückt sich mit römischen Bauwerken wie dieser Brücke.



Wer römische Ruinen liebt, bekommt in Merida davon genug.

Mehr noch als die Mädchentruppe, mehr noch als die Trommelkünstler erstaunen uns weiße Gestalten auf dem Aquadukt, hoch über unseren Köpfen. Nach einer Weile ordnet Johannes scharf blickend den Gespensterwesen in der Dämmerung hoch über unseren Köpfen die zoologische Gattung "Storch" zu. Es ist wahr und Wirklich: auf den etwa 15 Meter hohen steinernen Türmen der restlichen, römischen Wasserleitung nisten zahlreiche Störche. Es können wohl zwanzig, dreißig Paare sein, die dort mit langen Schnäbeln auf das laute Trommel- und Tanz-Treiben im Park unter ihnen schauen. Als später die Trommler aufhören, setzt ein aufgeregter Adubar das Abendkonzert mit klapperndem Schnabel fort. Der ungewohnt fremde Klang lässt sich erst nach einiger Zeit dem Storchenvogel zuordnen.

Die recht ruinierten römischen Wasserleitung dient zahlreichen Störchen als Brutplatz.

Zum festlichen Abschluß des wunderbaren Reisetages genießen wir zwei Gläser des Hausweins beim erst erreichbaren Wirt, den wir finden. Der Wand füllende Samsung-Flachfernseher dröhnt mit einer Fußballübertragung der Blauen gegen die Roten. Zweitausend Jahre zuvor verfütterten römische Sklavenhalter in der Arena von Merida noch Gladiatoren an hungrige Bestien. Vom militärischen HiTech-Gemetzel einmal abgesehen, leben wir schon in vergleichbar friedlicheren Zeiten. Mir sollen alte wie neue Kampfspiele gleichgültig bleiben, solange sich meine gespannten Sinne endlich einmal traumlos in friedlichem Schlaf ohne Alptraum erholen.

Der Wandfüllende Flachfernseher zeigt in der Wetterkarte für Spanien viel, viel Sonnenschein.



Zum Abschied aus Merida klappern balzende Störche auf dem Aquadukt.

Über die Brücke verlassen wir Merida zu einer sonnigen Fahrt von bald 400 Kilometern nach Cadiz und von dort nach Barbate.

Weiter, weiter, weiter. Die Strecke geht über Cadiz nach Barbate, auch immerhin 390 Kilometer. Damit sind wir dem Hafen Algeciras zur Einschiffung nach Tanger schon bis auf 70 Kilometer näher gerückt. Nach einem Bad, einer Dusche am Auto und einem reichlichen Mittagsmahl reicht leider meine Kraft nicht mehr, die große Stadt Cadiz zu besichtigen. Meine Konzentration und Kraft schaffen kaum 40 geruhsame Kilometer weiter. Nach der Strecke führen uns die Koordinaten-Eingaben der WoMo-Reihe "Mit dem Wohnmobil nach Südspanien" punktgenau an einen ruhigen Stellplatz am Ortsrand von Barbate. Die Fischfabrik hinter uns ist zwar verfallen, stinkt aber nicht. Zwei alte Holzkähne vermodern gleich neben unserem Stellplatz im Wasser. Die Rundbalken des Innenraums ragen gleich Gerippe von den Planken befreit heraus. Zum beachtlich breiten Strand sind es nur ein paar Schritte weit.

Von Cadiz bleibt bei der eiligen Durchfahrt nicht mehr in Erinnerung als ein erfrischendes Bad im Atlantik und Fahrtbilder wie von dieser Salzhalde.



Wenige Schritte von Strand und und Innenstadt nächtigen wir in Barbate unter Palmen.



Hinter unserem Stellplatz modern zwei alte Holzkähne von einstmals großer Handwerkskunst.



Den Strand von Barbate sollen im Sommer fast nur spanische Touristen bevölkern, berichtet ein Reiseführer.




Marokko

Von Barbate führt eine wunderbare Küstenstraße auf die nächste Hauptstraße Richtung Algeciras. Die von Edith Kohlbach empfohlene Reiseagentur fanden wir sofort nach den GPS-Daten. Für 180 Euro Cash auf Kralle kommen wir hin nach Tanger-Med - und hoffentlich auch wieder heil zurück nach Algeciras. Unser Schiff fährt um 14.00 Uhr. Die Überfahrt genießen wir bei rauher Brise auf dem großen Schiff. In dessen Bauch sind neben einigen Wohnmobilen, einem Weltreise-Allrad-LKW auch einige Sattelschlepper gebunkert. Alte Daimler Kleinlastwagen fahren ein, das Dach voll gepackt mit ausrangierten Bildröhren-Fernsehern. Die Fuhre ist nur notdürftig mit Plastikplanen gegen Regen geschützt. Ein Jüngling mit Sonnenbrille und gepflegtem Kinnbart hat sich seinen Bentley auf einem LKW in den Zollbereich zur Abfahrt bringen lassen. Dort lässt er diese Luxuslimousine abladen und fährt sie ins Schiff und in Tanger wieder hinaus. Bis wir als Neulinge die Grenzprozedur wohl als Letzte geschafft haben, ist es schon 17.00 Uhr. Dann endlich dürfen wir aus dem massiv gesicherten Zollgrenzbezirk hinausfahren und wieder freie Fahrt aufnehmen.

Westlich von Algeciras haben wir einen umwerfenden Blick auf Afrika.

Von Algeciras mit Blick auf Gibraltar fahren wir in etwa anderthalb Stunden nach Tanger Med.



0119_Maroc_Einreise Die Grenzer der schwer gesicherten marokkanischen Grenzanlage erfreuen sich am Spiel mit uns Neulingen.

Das Garmin-Navi versieht das Fahrzeug-Symbol mitten auf dem blau symbolisierten Meer immerhin mit einem Fragezeichen. Es zeigt an, dass das Schiff mit bald 30 km/h volle Kraft voraus eilt. In Marokko stellt das Gerät die Zeit um eine Stunde zurück. Erst dannn, enlich in Afrika, arbeitet das Navi korrekt. In Spanien konnte es kein Ziel in Marokko berechnen. Hinter Tanger-Med hat uns das Gerät dann korrekt die mautfreie Küstenstraße angewiesen. Weil aber schon die Sonne unterging, zahlten wir lieber 100 Kilometer Autobahn für etwa 7,50 Euro. Dafür durften wir erstmals erleben, dass wir auf der nächtlichen Autobahn mehrmals Radfahrer ohne Licht auf dem Randstreifen überholten. Nach 100 Kilometern liefen wir in wohlbehalten Asilah ein. Der im Marokko-Reiseführer von Edith Kohlbach angegebene Campingplatz war wohl einem Busbahnhof gewichen. Dafür fanden wir wenige Kilometer weiter in Strandnähe einen Stellplatz. Ein wild gestikulierender Einweiser winkte uns gleich heran. Ein Pappschild mit Filzschrift preiste die Nacht mit 30 Dirham an. Das sind etwa drei Euro. Dafür dürfen wir uns den gut beleuchteten Platz mit etwa 30 weiteren Wohnmobilisten teilen. Auch einige Expediteure der Allrad-Fraktion setzen sich verschämt von der Weißware im hinteren Teil ab. Zwischen unseren "Kühlschränken und Waschmaschinen", wie Allrad-Pioniere unsere Weißware verspotten, stehen die Expedition-Fahrer nicht gerne. Doch für alle rauscht das Meer direkt vor uns. Mülltonnen haben wir bislang ebenso wenig gefunden wie sanitäre Anlagen. Klaus zeigt auf den Strand und meint lakonisch: "Wozu Mülltonnen? Der ganze Strand ist doch eine Müllhalde." Bei Tag werden wir mehr wissen.
Fakten:

Für die 3000 Kilometer von München bis 100 Kilometer südlich von Tanger nach Asilah hat die Walkuh für bald eine halbe Tonne, also 500 Liter Diesel, gesoffen. Dies Öl-Futter hat bald 400 Euro, plus 180 Euro für die Fähren-Fuhre gekostet. Nach der ersten Reisewoche haben wir für Nachtplätze schon 15 Euro vergeudet. Gastwirte haben außer einigen Tassen Kaffee und vier Gläsern gemeinsamen Hausweins wenig an uns verdient. Lebensmittel haben wir bislang bei Aldi und Carfour in Spanien besorgt und im Auto zubereitet. Zudem versorgen sich Kühlschrank, Heizung und Kocher mit Gas noch immer aus der ersten 11-Kilo-Flasche. Die Internet-Connection kostet 20 Euro mit einer Flatrate für einen Monat. Die Geschwindigkeit reicht für Skype-Telefonate mit n0by2call hier am Atlantik in Asilah.


Johannes begrüßt voller Tatendrank den ersten Morgen in Marokko.

Dieser Wohnmobilist sichert sich mit Plastikgittern, fragt sich gegen Sonne, Fliegen oder gar Einbrecher?

Die Super-, Supermärkte sind Marktszenen am Straßenrand gewichen.



Die blaue Umrandung der Stromzähler deutet mehr von Kunstsinn als von Sicherheitsdenken.



Die Stadt, die Sonne, die zahlreichen Eindrücke lassen uns lustvoll zwei Nächte in Asilah ausruhen - endlich nach 3000 Kilometern!

Auf seinem Motordreirad donnert der Eiermann am Teppichhändler vorbei.

4 Kommentare:

fotogeschichten hat gesagt…

Lieber n0by, lieber Johannes,
wünsche euch für die Reise alles Gute. Freue mich auf die Fotos, die ihr auf dem Blog zeigt und hoffe auf ein gesundes Wiedersehen beim TIKRO-Treffen im April
Christine

buschdie hat gesagt…

Hallo eine schöne Reisebeschreibung habt Ihrhier bisher gemacht freut uns immer wieder zu lesen wie andere Ihre Erfahrung machen.Wir wünschen euch viele tolle erlebnisse in Marokko unsere findet Ihr unter www.reisebuch.blog.de gruß

Anonym hat gesagt…

Schweinekadaver habe ich und meine Frau hier noch nie gesehen,obwohl wir hier schon lange leben, aber es gibt in Agadir ein Schweinezüchter, er schlachtet ausschließlich für die großen Hotels und Touristen.

frederic hat gesagt…

Danke für Deine Berichte, es gefällt mir ausgesprochen gut wie du schreibst. Bezüglich der beiden von Dir angesprochenen Marokkoforen bin ich weitestgehend auch Deiner Meinung.....
Beste Grüsse
frederic