29 Februar 2012

Matt in Marrakech

Marrakech muss man mögen. Mir gefällt es am besten, mich matt und müde durch die Gassen der Medina treiben zu lassen. "Hey Moustache", meinen die Händler zu meinem Bart. Aber nicht alle Meinungen sind frei in Marokko.

Nach weiten Wegen über staubige, rumpelnde Straßen ist mir meine Ruhe am kleinen Schreibtisch viel wert. Die Welt fokussiert sich im Internet auf dem Bildschirm. Um auf Stecknadeln im Heuhaufen zu stoßen, helfen Freunde. Allein verliert man sich leicht im Netz, doch Gleichgesinnte finden und bereichern sich.





Der Weg vom Tizzi-n-Test ist staubig und mit schüttelnden Schlaglöchern übersät. Ein Blick zurück zeigt, wie herrlich sich verschneite Berge gegen das Blau des Himmels abheben.

Glücklich ist, wer die Welt vergisst. Doch wem gelingt das? Wenn mir Gegensätze unvereinbar erscheinen, krankt mein Empfinden gleichsam am Kassandra-Komplex. Lybien, Syrien, Irak, Iran, Ägypten, Tunesien, Afghanistan, Pakistan - eine lange Liste von Ländern, in denen Menschen leiden. Mein matter Weltschmerz langweilt. Vergessen, Ortswechsel, neuer Tag, neues Spiel, neues Spiel, neues Glück. Meine Frau packt gerade ihre Sachen für den Abflug. Grund genug zur Freude!



Mit dem Wasser des Stausees darf niemand sich, sein Tier oder Auto waschen.





Wie verschlafen und verzaubert seit uralten Zeiten liegt das Dorf über dem Bach, der aus dem Hohen Atlas wenig Wasser führt.



Auf meinem langsamen Abstieg vom Test-n-Tizzi nach Marrakech findet sich ein freier Platz zur Pause. Dort fahren zwei 4x4-Rover vor, halten. Touristen steigen aus. Wie zufällig erscheinen Schlangenbeschwörer, um die jungen Damen zu unterhalten. Das Bild aus meinem Autofenster ist natürlich kostenpflichtig.



Der Verkehr in Marrakech ist gewöhnungsbedürftig, um nicht zu meckern: nervtötend. Parkplätze sind rar. Etwa acht, zehn Kilometer außerhalb entsteht dies Bild der anmutig geschwungenen Wohnanlage. Ob bald bezugsfertig oder Investionsruine ist mir nicht klar.



Luxus pur: "Le Relais de Marrakech" zum dreifachen Preis wie Firdaous. Beide Plätze sind bewachte Luxus-Ghettos kilometerweit vor den Toren der Altstadt.

Damit westliche Frauen züchtig nach mohammedanischer Sitte baden, bietet der heimische Markt den passenden Badeanzug. Dabei gibt es diese schöne Stücke schon sehr günstig hier

http://www.halal-markt.de/





Im Pool des Relais de Marrakech dürfen die Damen auch ohne diese modisch-mohammedanischen Bekleidung schwimmen, die mich an Schlafanzüge erinnern.

Meine Recherchen bringen bedrückende Gedanken. Meine Meinung: Die einzige Waffe der armen Menschen scheint zu sein, sich so oft wie möglich zu vermehren. So reproduzieren sich Kopftuch-Frauen vielfach in Kopftuch-Mädchen. Diese Menschen missbrauchen die jeweils Herrschenden als nahezu beliebige Verfügungsmasse. Ein Angriff wie auf Lybien, eine Destabilisierung von Syrien derzeit und schlimmstenfalls noch ein verbrecherischer Angriff auf den Iran erschweren Reisen in mohammedanische Länder. Nach Afghanistan fährt kaum noch einer. Wer Blutspuren wie vom letzten Selbstmordattentat auf einem Markt in Pakistan gesehen hat, dem gefällt es dort auch nicht mehr. Das erzählte mir so Wolle in Zagora.



Schon der Preis eines Allrad-Sprinters von Bimobil überspringt sechsstellige Grenzen. Das Gespan mit der ausziehbaren Veranda und dem Jeep als Beiboot dürfte die Viertelmillion übersteigen.



Nur weg aus Dunkeldeutschland im Winter, raus in die Sonne. Er reist aus Berlin mit einem 31 Jahre alten 207 D, 68 PS, mit einem Aufbau von Tabbert an. Diese Rarität sieht man nicht mehr oft.

Neben eher beunruhigenden Recherchen zu Land und Leuten, der Lage in Syrien und in Lybien sowie vom Halal-Markt daheim, verwöhnte mich heute der verführerische Luxus von Marjane. Ein Einkauf mit Tücken. Der Strom fällt aus. Kein Licht, kein Ton. Notbeleuchtung. Die elektronischen Kassen stehen still. Kunden stehen geduldig Schlange wie in medinaiver Versenkung. Nach etwa einer halben Stunde läuft der Betrieb wieder an. Der Rechner an der Kasse verlangt den Neustart. Meine Waren liegen auf dem Band, welches steht. Meinem Artikel fehlt eine Preisauszeichnung. Es heisst dann entweder zurück ans Regal, einen Artikel mit Auszeichnung holen oder auf die Ware meiner Wahl verzichten. Nach einigen Stunden bei Marjane erfordert mein erschöpfter Körper Verzicht.



Marrakech hat den größten Souk. Dort in der Altstadt harren die Händler stundenlang, bis sich ein Kunde auf einen feilschenden Preiskampf mit ihnen einlässt. Bei Marjane zahlt der Kunde Festpreise, was mir angenehmer ist.



Den geschmackvoll verspielten Kristallleuchter links kann sich der Kunde schon für 26.600 DH ins traute Heim hängen. Dies Prachtstück ziert dann wohl schon eine schöne Stube der Oberschicht.

Über allen Schichten thront der König. Ein 18jähriger muss wohl seinen Übermut, den König auf Facebook zu karikieren, mit einer Gefängnisstrafe büßen. Doch vielleicht kassiert die höhere Instanz ja das Urteil oder mildert es auf einige Peitschenhiebe, bis dem Burschen das Blut vom Rücken rinnt? Was der Knabe verbrochen, steht

http://www.voltairenet.org/Marokko-Gefangnisstrafe-fur

hier.



Die Zeiten sind hart für motzige Bürschlein bei Facebook in Marokko und anderswo: 12 Monate soll der 18jährige für seine dreiste Veröffentlichung einer Königskarikatur gesiebte Luft atmen. Humor hat er wohl wenig, sein Herrscher.



Die vom akkreditierten Hoffotografen gestylten Lichtbildnisse verkauft Marjane in geschmackvollem Rahmen.



Gerade nach den erbärmlichen Bretterbuden auf dem Land mit beschränkter Auswahl überwältigt mich das Angebot wie hier von der Käsetheke bei Marjane.



Dass der Berliner sein Fahrzeug bis auf den CP Firdaous gebracht hat, ist schon eine reife Leistung.



Flaggen über dem Zelt wie hinter der Frontscheibe des Benz-Busses verraten: Hier hat die Piraten-Partei auf Firdaous ihre marokkanische Dependance.



Damit der Quad meines französischen Nachbarn nicht verstaubt beim Transport, verstaut er sein Gefährt im Anhänger mit Hartschalenkoffer.





Wer seine Winterwohnung, wie auf diesem Iveco-Doppelachser, auf dem CP Firdaous aufstellt, bekommt für etwa drei Euro pro Nacht sehr viel Wohnraum in Marrakech.


Die dritte Nacht in Marrakesch auf dem dritten Platz: Stellplatz Koutoubia.

Dank der genauen Koordinaten im Campingführer Kohlbach, dank der Weisung des Garmin-Navis und dank der frühen Morgenstunde mit vergleichbar vernünftigem Verkehr gelang mir der Ortswechsel von Firadaous schnell und genau. Nach ein paar Schritten in die benachbarte Medina geht der Rummel los. Doch der Stellplatz in Sichtweite der Koutoubia-Moschee ist still. Vögel zwitschern. Störche klappern in ihren Nestern, die sie auf dem Sendemast errichtet haben. Ein Idylle mitten in der Stadt ohne viel Staub. Die Toiletten an der Moschee entsprechen dem Standard, an den mich mittlerweile 40 Tage hier gewöhnt haben.



Lange bleiben die Plätze neben mir nicht leer. Gerade dröhnt vor meiner Aufbautür ein etwa 30 Jahre alter 406 D Daimler aus Lahnstein ein. An Abwechselung mangelt es mir nun nicht. Nachtrag morgens um 5.45 Uhr: Da die Mohammedaner die Zeit traditionell nicht wie nach Kirchturmschlägen stündlich, sondern nach den Tageszeiten messen, gibt es z. B. zur Dämmerung am 1. März den Weckruf des Muezzin aus nächster Nähe. Volle Dröhnung gleichsam.



Doch wieder Geld ausgeben in Marrakech: Das Schild lockt mich, meine Digital-Kamera reparieren zu lassen.

Ein Bild von den Storchennesten auf dem Sendemast am Stellplatz Koutoubia der Fujii-Kamera zeigt deren Mangel. Die Bildecken sind schwarz umrandet. Außerdem verschwimmen die Bilder, welche das Tele heranzoomen soll. Die Arbeit soll um sechs Uhr fertig sein. Der Reparatur-Meister hat es geschafft, dass ein immer noch recht unbedarfter Tourist ihm den geforderten Preis bezahlt: 400 DH!



Alle Bilder mit der defekten Fujii-Kamera umranden diese schwarzen Ecken. Das Telezoom zeichnet unscharf. Der Meister verspricht eine fachgerechte Reparatur für 400 DH.

Anfangs hier in Marrakech hätte mich die dunkle Kellertreppe schon abgeschreckt, die Werkstatt des Meisters aufzusuchen. Das ändert sich allmählich. Die marokkanische Tageszeitung "Le Matin", der ruhige Platz an der Koutoubia, mein Kühlschrank voller Leckerein sowie strahlender Sonnenschein auf alle verhängten Luken der Luft durchflutenten Walkuh schenken mir einen angenehmen neuen Tag.



Dass er seine Forderung von 400 DH für die Reparatur ohne Handelsabschlag durchsetzte, lässt den Mann strahlen, mich jedoch weniger.

Mittlerweile, 13.00 Uh, ist das Thermometer im Wagen auf lauschige 27 Grad Celsius geklettert. Auf diese Temperatur ermattet der Körper, doch er stellt sich auf die Hitze ein. Siesta. Rentner Ruhe.





Auf dieser Werkbank repariert der Experte Digital-Kameras - erstaunlich - auch meine.





In der Medina gibt es auch einfachere Lampen als die verspielten Kristallleuchter bei Marjane.



Wenn ein Interessent vor dem Schaufenster stehen bleibt, unterbrechen die Händler sofort ihre vertiefte Lektüre und beginnen Verkaufsgespräche.





Wie zur Stereoanlage aus Japan die Musik von Jimi Hendrix gehört, so gehören zum gut bürgerlichen deutschen Kifferhaushalt auch das Teeservice aus Marakko.





Der Reiseführer gibt die genaue Zahl der Moscheen in der Altstadt von Marrakesch an. Es sind sehr, sehr viele, auf deren Mauern Licht und Schatten sich scharf abzeichnen.





Wenn durch die Gassen der Medina ein Tragtier laufen kann, sind die Wege schon breit.



Der Dattelhändler ist auch matt in Marrakech. Die Sonne sticht schon ziemlich.





Der Orangensaft kostet vier DH beim Saftladen in Marrakesch.



Das Zoom der reparierten Kamera funktioniert, was mir meinen Obulus für das Foto der pittoresken Wasserhändler erspart. Diese verkaufen auch kein Wasser mehr, sondern nur sich in ihrem Aufzug für Touristenfotos.



Das Zoom zeichnet wieder scharf: Die Goldenen Kugeln auf der Koutoubia-Turmspitze haben - wie alles überall - eine lange Geschichte.



Koutoubia-Stellplatz: Auch hier in Marrakech überfordert die Touristen-Lawine die Kapazität des Parkraums. Die französischen WoMo-Fahrer können sich über die Nacht für 50 DH freuen, andere Reisende in ihren zugeparkten Fahrzeugen dürften sich etwas beengt fühlen.

Doch nun schnell diese neue Geschichte veröffentlicht, damit meine Frau daheim vor dem Flug sich schon etwas mehr ansehen kann. Für sie kommt in der nächsten Nacht natürlich nur das luxuriöse Relais de Marrakech in Frage.

Keine Kommentare: