Der Autor kämpft vor dem Landgericht Stuttgart für sein Recht, für das Recht.
Seit der Finanzkrise und dem Milliarden-Transfer an Griechenland spricht sich immer weiter herum, dass die mächtigen Eliten ihre Gewinne privatisieren und ihre Verluste sozialisieren. So simple: Der Steuerzahler zahlt die Zeche.
Kleine Gauner rennen den Großen nach und bleiben doch auf der Strecke. Wer den Titel anklickt, kommt zur Leidensliste mit meinem als "neu" verkauftem Wohnmobil. Seit der Zulassung am 19. Januar 2010 geht mein nervenaufreibender Kampf darum, dass mich der Verkäufer entschädigt. Der Gutachter brauchte etwa ein halbes Jahr, um seine Arbeit vorzulegen.
VW schreibt dem Gutachter am 18.10.2010, was der Hersteller von meinem Fahrzeug hält.
Die Richterin, eine faszinierende junge Frau, erkennt in diesem Vorserienmodell auch kein Neufahrzeug. Der Verkäufer hat mich als unbedarften Kunden zwar mit dem getürkten Typenschild im Motorraum, den drei Jahren bis zum nächstem TÜV, 200 Kilometer auf der Uhr, den in Plastikplanen geschütztem Fußraum sowie seiner Anzeige "Neufahrzeug" täuschen können. Die Richterin glaubt das nicht.
Der Eintrag im billig gebastelten Typenschild gibt als "Bauj. 2009" vor.
Allerdings ist dieses Schild wenige Cent wert, nachträglich geprägt und eingenietet, also wertlos. Potemkische Dörfer eines begnadeten Verkäufers. Die Verhandlung in Stuttgart bei 30 Grad Sommerhitze zog sich hin. Der Richterin wurde heiß unter ihrer Robe. Sie zog sich die schwarze Kutte aus. Eine strahlende Blondine in weißer kurzärmliger Bluse legt aufatmend ihre Arme zurück. Im rot geblümten Sommerkleid bezaubert sie ihr Publikum. Doch streng fragt sie den Verkäufer: "Sind Sie mit einem Vergleich von 6000 Euro einverstanden?" Der Beklagte poltert: "Niemals! Dann mache ich eher einen Offenbarungseid." Theatralisch unterstreicht er mit erhobener Schwurhand seine Worte.
Mein Anwalt, ein gediegener Herr, ein Jahr älter als ich, beugt sich zu mir mit maliziös lächelnder Miene: "Dann kriegen Sie garnichts." Die Richterin lässt Gnade vor Recht ergehen und fragt den Beklagten: "Wieviel können Sie denn zahlen?" Der zischt zurück: "3000! Allerhöchstens! Und auch das nur in Raten." Mild einfühlend bohrt die Richterin weiter: "Und ab wann wollen Sie zahlen?" Das beruhigt den Verkäufer ein wenig: "Ab August." Die Richterin diktiert ihr Urteil dem Gerät in ihrer Hand: "Der Beklagte zahlt August, September und Oktober jeweils Raten von 1000 Euro. Ist er fünf Tage mit seinen Raten in Verzug wird die Summe sofort fällig."
Mein großer Bruder, solvent, solide und souverän, hat mich zum Gericht begleitet, mich beim Prozess nervlich gestützt und der Verhandlung zugehört. Er fragt anschließend meinen Anwalt: "Wenn er dann aber doch zuvor einen Offenbarungseid ablegt, dann wird er wohl trotzdem nichts bezahlen." Der Anwalt versichert uns: "Nein, wer sich auf einen Vergleich einlässt, muss auch zahlen. Andernfalls wäre das Betrug."
Nun träumen sich meine Wünsche, wie wohl vielen im Rentner Paradies, und mir schon seit Mai in die große, weite Urlaubsfahrt. Aber erstmal musste der Prozess abgeschlossen sein. Mit Erleichterung liegt nun das graue Gerichtsgebäude hinter mir. Die Träume der Rentnerelite sollen sich endlich verwirklichen!
Noch im Job träumte mir hier im Mai auf der Auerdult der Reisetraum der Rentnerelite in Renters Paradies.
Doch auch diese kleine Reise in den Stuttgarter Hitzekessel endet schon nach einer Nacht mit dem Prozesstag am 28. Juni 2011. Immerhin stellt sich mir der umkämpfte Stuttgarter Bahnhof noch in seiner ganzen überirdischen Pracht vor.
"Ein´ Feste Burg ist unser Bahnhof!"
Das Bauwerk klingt wie ein feierlicher Choral für mich und überzeugt mich von der Parole: "Oben bleiben!" Vier Milliarden will das Kapital von Steuerzahlern und Bahnfahrern einkassieren für profitable Beton-Gigantomanie, doch Toilettenanlagen werden eingespart oder privat an Investoren wie McPiss verkauft. Es stinkt zum Himmel!
Leider kann ich den Sieg vor Gericht nicht mit einer kleinen Rundreise durch die sonnigen Lande mehr genießen. Endlich hat die Frau daheim begriffen, dass es nicht reicht den Kühlwasserverlust durch ständiges Auffüllen zu kompensieren. Ein verständiger Mechaniker hat einfach den Deckel vom Öleinfüllstutzen geöffnet. So hat sie gesehen, dass das Motoröl sich mit Wasserschaum geschmückt hatte. Diese Demonstration hat sie mehr als meine Wörtchen überzeugt, dass der Wagen endlich! endlich! in Reparatur muss. Sie ist ein herrliches Weib! Aber aaach, sie kann schlecht hören - auf mich jedenfalls.
Ohne dass sie mir ihren Erkenntnissprozess am Telefon im Einzelnen zu erklärt, alamiert mich ihr Tonfall, sofort von Stuttgart zurück nach München zu reisen. Jetzt wollten wir ihr Auto nicht einmal mehr zur Werkstatt fahren. Also kam der Abschleppdienst. Der Fahrer nimmt mit sichtlichem Stolz über den nagelneuen Iveco ihre arme, alte "Seekuh", den VW-T-5, Huckepack.
"Die Seekuh" meiner Liebsten muss huckepack zur Werkstatt getragen werden - am Tag nach meinem Prozess.