Romantische Vollmondnacht im Camp La Fuente in Los Banos de Fortuna |
Kaum ist der Wochenblog online, geht es mit der nächsten Strecke, dem nächsten Blog weiter. Der Kompass zeigt jetzt nach Westen und Norden. Die südliche Sonnenhölle setzt mir zu. Doch da muss der Reisende durch. Ein Absatz denkt an Freunde, die älter als 70 Jahre sind.
Knapp 100 Kilometer vom Meer bei Alicante zum Kurbad bei Fortuna sind vor dem Mittagessen geschafft. Gut so, denn meine Reiselust sinkt. Die Sehnsucht nach daheim steigt. Das Camp La Fuente ist dem Kurbad Los Banos de Fortuna angeschlossen. In der Wintersaison sollte man zuvor reservieren, weil sich Reisende aus kälteren Ländern dort aufwärmen. Jetzt schlufft man in Badhosen und -schlappen vom Auto ins Bad.
Gegen die Höllensonne sind die Frontscheiben mit Matten innen wie außen isoliert. Dachluken, Heckklappe, Fenster und Aufbautür stehen weit auf.
Doch um sich vor Diebstahl zu schützen, muss man zumindest Fenster und Heckklappe schließen, wenn man das Auto verlässt. Vorräte sorgen für ein oppulentes Mahl. Klassik-Radio schmeichelt mir mit gewohntem Klang und Wort. "Opa-Radio" meint meine Herzensdame respektlos.
Nach Berg-, Tal- und Holperfahrt über enge Straßen durch Baumlose Steppenlandschaft zeigt ein Schild das mondäne Kurbad.
Das Drei-Sterne-Hotel Viktoria wäre jetzt ein angenehmerer Aufenthaltsort als die Bruthöhle meines Wohnmobils.
Doch der Standplatz mit Schwimmbad, Autoküche, Tisch, Wasser, Fernsehen und Internet bieten Komfort genug. Vögel konkurrieren mit Radioklang. Zwölf Uhr Mittag. Die Temperatur steigt. Das Thermalbad kühlt ab - mit 36 Grad Wassertemperatur.
Der Seitenwechsel von Süd- nach Nord-Spanien kommt mir unendlich weit vor - über 1000 Kilometer. Die nächste Etappe nach
- Molinicos zum Camp Red Rio Mundo sind 142 Kilometer. Die dritte Etappe zum
- Camp El Greco Toledo sollen aufreibende 281 Kilometer betragen. Dann geht es zum
- Camp Villaviciose de Odeon bei Madrid mit milden 80 Kilometern weiter.
- El Escorial sollten von dort aus in knapp 50 Kilometern zu erreichen sein.
- Der Sprung nach Burgos streckt sich danach auf 250 Kilometer.
- Bilbao oder San Sebastian sollten mir wieder frischere Meeresluft zufächeln - abermals nach 250 Kilometern.
Los Banos de Fortuna
Zwei Badetage sind eingepreist, um Los Banos de Fortuna und seine Umgebung zu erkunden.
Die wenigen Unterkünfte im Kurbad mit seinem Park sind gepflegt. Zwei, drei Wildcamper sparen Gebühren und haben sich auf dem Parkplatz beim Hotel ausgebreitet. Das scheint niemanden zu stören.
Fünf Kilometer weiter liegt das Städtchen Fortuna. Die Straßenrestaurants sind voll fröhlicher Menschen. Samstag nachmittag versorgt mich noch ein kleiner Laden mit Tomaten und Gurken für das Abendessen.
Ein kleiner Radausflug in die Baumlosen Berge zeigt Los Banos de Fortuna mit verfallender Schönheit.
Diesen kargen Böden etwas abzugewinnen, ist nicht einfach.
Auch wenn einige Hasen durch das Gebüsch hoppeln, auch wenn ein Trecker mit Pflug und gelb blinkendem Warnlink unterwegs ist, außer wenigen Radfahrern gibt es dort fast nichts.
Das Nest in dem Berg heißt Capré. Außer einer müden Katze auf heißem Stein lässt sich niemand blicken.
Zweite Etappe: Camping Rio Mundo
Die erste Etappe aus der Höllenhitze ist geschafft. Den Mond am Abend im Titelbild kommentiert jemand als "Kino". Wohl wahr, abends und morgens Kino in allen Dimensionen.
Herrliche 18 Grad in der Früh, jetzt schnell alles zusammenräumen und packen, dann nichts wie weg um 7.30 Uhr. Denn die Sonne stellt wenige Minuten später ihr gnadenloses Strahlen an. Dann rollt der Wagen in den frischen, kühlen Morgen.
Nach 120 Kilometer ist nach schöner Strecke Elche de Sierra erreicht. Schilder weisen zu einem Platz, wo Camper stehen können. Dort gibt es genüßlich Frühstück aus der Bordküche.
Bei Molinicos sollte das Camp Rio Mundo liegen. In Molinicos stehen wieder einige spanische Camper. Der Dorfladen verkauft mir Brot und Käse, Gurken und Salat gibt es nicht. Man sieht den Orten an, was ihre kleinen Lebensmittelläden bieten.
Auf nahezu einspurger, kurviger Bergstraße geht es auf 1100 Meter Höhe. Die bewaldeten Höhen kühlen und erfrischen.
Etwa 13 Kilometer hinter Molinicos liegt das Camp - vor dem Mittagessen erreicht. Die Hitze nimmt trotz Schatten spendender Bäume zu.
Der Hund am Empfang symbolisiert mein Lebensgefühl in der Hitze. Nach ein, zwei Stunden Dösen in erschlaffter Ermattung, nach einer kalten Dusche und das Umstellen des Womos in besseren Baumschatten reicht die Energie für diese Blogeinträge.
Der Ausflug am Nachmittag führt mich zu Einkäufen im sechs Kilometer entfernten Riopar.
Was das Camp als Schwimmbad ausgibt, ist eine Vertiefung in dem lauschigen Gebirgsbach.
An der wenig befahrenen Landstraße nach Riopar liegt ein verlassenes Gehöft.
Der Gemischwarenladen in Riopar ist erstaunlich gut sortiert. Sogar CREMA de AFEITAR Para usar con Brocha (Rasiercreme zum Gebrauch mit Pinsel) lässt sich neben Gurken, Weintrauben und Avocados erbeuten.
Als Attraktion im verschlafenen Nest Riopar sei dieser Eisladen erwähnt.
Die Kalorienbombe verwertet der Körper danach beim Radeln zum Camp in 30 Grad Celsius.
Die kurvigen Bergstraßen und die Waldwirtschaft erinnern mich an mein heimisches Thüringen. Allerdings wachsen hier Kiefern und keine Fichten.
Der kleine Dieselmotors des Aixams nimmt die Bergstrecke in Angriff, ein spanischer Hymer campt wild im Waldschatten. Der Tag neigt sich. Gegen 18.00 zieht die Hitze ab - endlich.
El Pardal, ein Bergdorf
Der zweite Tag am Camp Rio Mundo lohnt sich. Erstmal seit langem verwöhnt mich der Morgen mit angenehmen 15 Grad Celsius. Endlich kann der Körper mal wieder längere Zeit auf teutonische Betriebstemperatur kühlen. Der wunderbare Felsen hat mich schon auf der Fahrt im Auto fasziniert. Mit dem Fahrrad kann man halten und überall fotografieren.
El Pardal ist ein kleines Bergnest, welches Wiki und Google nicht kennen. Der Feigenbaum an der kleinen Bergstrecke wächst mit frischen, grünen Blättern.
Wenige Häuser schmiegen sich an den Berghang. Ein Kaffee oder einen Laden sucht man dort vergebens.
Der Briefträger legt an einem zentralen Platz die Post in die Kästen.
Mohn blüht, Wein wächst in der Höhe von 1100 Meter. Straßenschilder warnen vor Glatteis und fordern Schneeketten. Unten im Tal steht ein Schild, dass der Pass geöffnet sei.
Ein Schmetterling saugt am duftenden, weißen Flieder.
Noch einen Abschiedsblick auf diesen Felsen, die größte Attraktion an der Bergstrecke.
Wer geduldig wartet, hört schon von weitem Motorengeräusch, um einen der glücklichen Biker auf der herrlichen Bahn zu fotografieren.
Bergab schiebt die Schwerkraft mein E-Bike auf über 50 km/h, bis vor Kurven die Scheibenbremsen sanft die Fahrt entschleunigen. Herrliche Zeit!
Dritte Etappe: Toledo
Die Abfahrt vom Berg-Camp Rio Mondo geht über etwa 30 Kilometer Bergstrecke, immer nur im zweiten und dritten Gang. Die Passhöhe liegt auf 1300 Metern.
Nur ganz wenig Verkehr gibt es auf der Bergstraße. Ein Reh am Rand springt in den Wald. Bei neun Grad Kälte hält Heizung die Füße warm. Dann steigt die Temperatur auf 20, auf 25 Grad und immer weiter.
Erst bekommt das Auto Diesel, unter einem schattigen Baum stärkt sich der Fahrer. Gegen Mittag ist das Camp El Greco in Toledo erreicht.
Nach mehreren Versuchen ist am Platz unter schattigen Bäumen eine Verbindung zum Satelliten gefunden, damit TV und Radio funktionieren. Die Temperatur steigt auf 30 Grad. Ein Morelo Palace rollt äußerst vorsichtig als mein Nachbar an. Das Neuneinhalb-Meter-Mobil hat als zweijähriges Gebrauchtfahrzeug 245.000 Euro gekostet, wobei der Erstbesitzer 110.000 Euro vom Neupreis nachgelassen hat. Speziell für das Fahrzeug hat der Erstbesitzer ein Slideout anfertigen lassen. Das Paar lässt mich dies Wunder der Technik bestaunen, Ledersitze - alles vom Feinsten. Die Preise steigen derzeit so rasant, dass sie mittlerweile das Auto teurer verkaufen könnten, als sie es gekauft haben.
Für drei Tage gibt mir das Camp El Greco Asyl. Im Gegensatz zum wohltemperierten Morelo des Nachbarn steigt in meiner Plastiktonne das Thermometer auf 34 Grad. Der Kühlschrank schafft nicht mehr als 20 Grad. Mit kalter Dusche und langem Dösen zwischen 12.00 und 16.00 im Schatten des Autos lässt sich die Zeit überstehen.
Kühlend sind Gassen, in die nie ein Sonnenstrahl fällt. Die Ziegelsteine stammen aus uralten Zeiten, was man an ihrer Machart erkennt.
Der Tourist, ein Spanier, lässt sich neben Don Quixotte fotografieren. Er ist nicht der Einzige. Die 1200-BMW kommt aus der Schweiz. Andere Touristen können vor dem Hotel nur schnell ihre Koffer auspacken, müssen ihren Wagen auf einen anderen Parkplatz fahren. Der mit Gas betriebene große Linienbus schafft kaum die Kurve vorbei an parkenden Autos.
Wo auf breiteren Straßen die Sonne brennt, spenden großflächige Abdeckungen Schatten.
Eine kesse, sehr junge Lehrerin in kurzem Röckchen erzählt vor der Kathedrale den Kindern ihre Geschichte. Sie spricht in ein Mikrofon über einen ungehängten Lautsprecher.
Wieder ist mir auf dem Weg durch das dünn besiedelte Land kein Supermarkt mit großem Parkplatz aufgefallen. So sind beim ersten Besuch in Toledo Vorräte auf dem Fahrrad im Rucksack zu transportieren. Die Markthalle öffnet von 9.00 bis 12.00, dann wieder von 17.00 bis 19.30 Uhr.
Zur ersten Orientierung ein paar flüchtige Eindrücke der gewaltigen Bauwerke. Bei der Hitze muss man Kraft sparen.
Die Markthalle hat mich wieder mit Obst, Käse, Tomaten, Avocados versorgt. Doch der Weg zum Camp ist nur mit Google Maps mit dem Smartphone zu finden. Vierunddreißig Grad im Wagen, zwanzig Grad im Kühlschrank und ein paar Zeilen und Bilder im Blog unter der Laterne vor dem Wagen. Maischberger interviewt einfühlsam Schäuble, spielt Altkanzer Helmut Schmidt ein: "Moldawien, Georgien, die Ukraine an die Nato und EU heranrücken zu lassen, ist geopolitische Kinderei." Schäuble widerspricht. Jedes Land allein müsse wissen, ob die Menschen Demokratie und Rechtstaatlichkeit wollen. Mücken surren im Wagen. Ein erschlagenes Insekt hinterlässt Blut auf meiner Haut - mein Blut. Das Leben ist grausam.
Alte Freunde über 70 Jahre alt
Klaus ist aus Südamerika mit seiner Gisi wieder daheim. Ihren Allrad-LKW, den Mercedes 911, haben sie wieder in Uruguay eingewintert. Im November soll es für sie wieder dorthin gehen.
Das Paar hat ein wunderschönes Heim. Häuser sind kühl im Sommer, warm im Winter. Sein Saab-Cabrio und ein zweites Wohnmobil in der Scheune bringt sie komfortabel über den Sommer.
Mein Frau daheim telefoniert ein, zwei, drei Mal täglich mit mir. Sie arbeitet im eigenen Garten und in der Solawi (solidarische Landwirtschaft Föritz). Demnächst zeigt sie im Park Kindern, wie sie Schafwolle filzt. Die Stadt stellt dafür Bierbänke und Tische in einem Pavillon für sie auf.
Sorgen macht mir mein alter Freund Harald. Wir brachten meine kabarettistischen Liedchen 1975 im Aachener Museum Neuer Galerie auf die Bühne. Seitdem stehen wir in mehr oder weniger engem oder fernem Kontakt. Harald blickt auf ein reiches, musikalisches und literarisches Schaffen zurück. Die Webseite haha-hartmann.de präsentiert einen Teil seiner Werke - von mir für ihn.
Harald hat nach eigener Aussage "zweitausend Seiten Sloterdijk" gelesen. Klaus (Jahrgang 1948), Harald (Jahrgang 1949), Sloterdijk (Jahrgang 1947) sind Männer in meinem Alter. Typisch für Harald klagt er mir bei Whatsup sein Leid.
Was Sloterdijk veröffentlicht, versteht jeder auf seine Weise.
"Oben hat sich eine neue Aristokratie breitgemacht, die aus staatlich geduldeten, quasimonopolistischen Halbunternehmern, führenden Managern staatsnaher Betriebe und höheren Staatsbediensteten besteht.
Unten lebt eine umsorgte Klientel Staatsabhängiger, die längst von einem leistungslosen Grundeinkommen profitieren, auch wenn es nicht so genannt wird.
Und dazwischen schuftet eine unternehmerisch erzogene Mittelklasse, die schwindende Gruppe der Nettosteuerzahler, die ohne alle Privilegien auskommt und die ihre Werte, Hoffnungen und Lebensträume gerade schwinden sieht."
Harald kultiviert sein häusliches Hobby mit Büchern, Bier, Garten, Katze, Klavier und Einträgen in seine Tage- oder Notenbücher. Dass eine sozialdarwinistische Auslese im Sinne von Thomas Malthus sich mit der Versorgungskrise von Weizen für Millionen Menschen anbahnt, scheint vielen gewiß.
„Ein Mensch, sagte er, der in einer schon okkupierten Welt geboren wird, wenn seine Familie nicht die Mittel hat, ihn zu ernähren oder wenn die Gesellschaft seine Arbeit nicht nötig hat, dieser Mensch hat nicht das mindeste Recht, irgend einen Teil von Nahrung zu verlangen, und er ist wirklich zu viel auf der Erde. Bei dem großen Gastmahle der Natur ist durchaus kein Gedecke für ihn gelegt. Die Natur gebietet ihm abzutreten, und sie säumt nicht, selbst diesen Befehl zur Ausführung zu bringen.“
Dieses Zitat von Malthus nimmt Harald mir übel wie meine Betonung von Sloterdijks Zitat auf den Satz. "Unten lebt eine umsorgte Klientel Staatsabhängiger,..." Wunderbar kann diese "umsorgte Klientel Staatsabhängiger" willige Frauen befruchten, ohne für ihre Brut aufkommen zu müssen. Dafür sorgt Vater Staat. Thomas Malthus sah Menschen "wirklich zu viel auf der Erde". Das dies so ist, zeigen herzzerreißende Bilder verhungernder Kinder aus Drittwelt-Länder.
Jeder im Rampenlicht der Öffentlichkeit wie Sloterdijk in obigem Beitrag bringt seine "Welterlösungsvorschläge" unter das Volk. So lässt sich Anerkennung, Aufmerksamkeit alternativ auch Ablehnung kassieren. Was Freund Harald dazu bei Whatsup nächtens schreibt, ist ebenso Grund zur Sorge wie sein Selbstporträt vom November 2021.
Was tun? Meine Mönchsklause erhitzt sich abends auf 34 Grad. TV-Nachrichten, Krimis und Talkshows ermüden und unterhalten. Mücken saugen mein Blut. Wenige Stunden Schlaf, bevor mein Körper versucht still sitzend mit geschlossenes Augen das zu sehen, was meins ist. Mein ist Atmen und Herzschlag. Dazu Gedanken, die sich nicht abstellen lassen. Was bleibt außer der Verbindung mit alten Freunden, um uns ein langes Leben und leichtes Sterben zu wünschen?
Traumtage in Toledo
Toledo verbindet mittelalterliche Architektur mit modernem Stadtverkehr. Anderhalb Stunden ging es mit dem E-Bike kreuz und quer durch diese Museumsstadt, durch die sich Müll-, Post- andere Wagen im Schritttempo quälen. Daheim im Auto erfrischt kaum eine Brise durch alle geöffneten Klappen.
Die zweite Stadtfahrt führt nach einem Blick in den Stadtplan über die Brücke San Martin direkt in die Altstadt. Die Brücke aus dem 14. Jahrhundert und der Blick auf die mittelalterlichen Mauern lassen mich andächtig staunen. Unglaublich, was Menschen mit damaliger Technik geleistet haben.
Nach Irrfahrten durch alte Gassen im Stadtlabyrinth soll mein Weg "heim" ins Auto mich wieder über diese Brücke San Martin bringen.
Wetteronline warnt zwischen 12.00 und 20.00 Uhr vor Hitze und hoher UV-Strahlung. Solange Wind auf dem Fahrrad mich kühlt, geht es - aber ab 12.00 Uhr mittags zurück ins Quartier.
Die ganze Stadt erscheint mir wie ein mittelalterliches Museum mit modern gekleideten Menschen. Statt mit Eseln und Pferden Autos, Busse, Lastwagen und Motorräder die Menschen und Waren.
Gleißendes Sonnenlicht kontrastiert mit Schatten von Bäumen und Mauern.
Wie diese kunstvollen Bauten heißen, welche erhabenen Schätze sie im Innern bergen, geht an mir vorüber. Die kurze Zeit des kühl erträglichen Vormittags ist zu nutzen, um vieles zu sehen.
Wozu hängen weit über dem Boden diese Ketten an dem Sakralbau? Man denkt an Inquisition, den Terror von Macht und Reichtum, an die Königin Isabella, die Columbus finanzierte, um die Neue Welt zu erobern.
Es hat sich nichts geändert. Kriege kommen, Menschen kämpfen gegeneinander, bis Human- und Kriegsmaterial verbraucht und erschöpft sind. Was kümmert es mich?
Das Einzige, was mich auf Reisen und besonders in Toledo bewegt: Wie kommen Körper und Geist gesund durch die Hitzehölle? Wie bleiben Auto und E-Bike unbeschädigt? Wie schützt man sich vor Diebstahl?
Der Baum verbeugt sich vor der Sonne. Mich beugt die Sonne.
Und wieder und wieder blickt man auf das Kreuz, hier an der Mauer, dann wieder auf den Türmen, Kreuze über Kreuze. Hat der Sänger Biermann lange genug gelebt, um mit 80 Jahren ans Kreuz zu glauben? Was steht mir bevor?
Schatten! Die dunkle Gasse mit mittelalterlichen Backsteinmauern erfrischt.
Um an Schaltstellen von Macht und Reichtum zu kommen, musste man die Ochsentour disziplinierter Jahrzehnte über Büchern verbringen. Sloterdijk hat seinen Körper dem Buchstudium angepasst. Heute reicht vielen eine große Fresse, um im Parlament fünfstellige Gelder im Monat zu kassieren. Wer zwei Legislaturperioden übersteht, kassiert fette Rente.
Ab in den Schatten! Heiße Gedanken helfen nicht weiter.
So eindrucksvoll die Sakral-, Pracht- und Verwaltungsbauten sind, mich zieht es in kleine Gassen.
Gegen 11.00 werden Hitze und Touristengetümmel unerträglich. Ein Polizist im Polizeifahrzeug weist mich an umzudrehen. Ihn stört meine Fahrt gegen den Einbahnstraßenstrom. Der Polizist hat Recht.
Das KIOX-Display mit der Bosch-App weist mir den Weg zurück zur Brücke San Martin, wo meine Stadttour begann.
Mit GPS-Hilfe findet man leichter aus dem Häusermeer einer fremden Stadt.
Die Markthalle liegt auf dem Weg. Dort gibt es wieder den nötigen Proviant für meinen täglichen Salat. Auch wenn der Kühlschrank nur noch 20 Grad Celsius schafft bei 36 Grad im Auto, bleiben Tomaten, Gurken, Käse und Getränke doch etwas frischer.
Für mein Fahrrad war der direkte Weg durch diese Baustelle gesperrt. Nach einigen Umwegen durch verwinkelte Altstadtgassen war dann die Brücke San Martin über den Fluss Tajo für den Heimweg erreicht.
Dieser Dienstleister bietet Touristen den "Flug" über den Fluß Tajo. Die Menschen werden dazu an ein Stahlseil über den Fluss angeschirrt und rutschen am Seil ans andere Ufer. Mit dieser letzten Impression vom Touristenrummel schiebt mich der Bosch-Motor ohne viel Eigenleistung heim zum Camp. Nach dem Salat im Auto braucht mein Körper zwei, drei Stunden Ruhe. Der kälteste Platz ist am Boden des Wagens. Schwarzer Tee gegen 16.30 Uhr stärkt die Lebenskräfte für den nächsten Ausflug.
Der Weg am Nachmittag geht nicht über die San Martin Brücke sondern daran vorbei.
Die herrliche Strecke stellt sich als Stadtumfahrung heraus. Die Wolken schirmen die Sonne ab, doch die drückende Schwüle bleibt. Der Fahrtwind kühlt.
Der Straße um die Stadt ist vergleichsweise frei von Verkehr. Auf der anderen Seite des Flusses geht es für Autos in der Altstadt im Schritttempo weiter, in engen Gassen nur für Fußgänger. Treppen kann mein E-Bike nicht überwinden. Die 25-Kilo-Maschine zu tragen, ist mir zu schwer.
Die "Umgehungsstraße" um Toledo ist beliebt. Verschiedene Straßenkaffees mit Parkbuchten finden ihre Kunden.
Nach dem Weg um die Stadt geht es wieder durch die Stadt zurück. Das ist schnell geschafft.
Am nächsten Morgen rangiert das nette, benachbarte Paar gemeinschaftlich mit Geschick das Neuneinhalb-Meter-Mobil aus der engen Lücke. Baumzweige dürfen das Dach nicht beschädigen, an der Bodenwelle darf der lange Überhang der Heckgarage nicht aufsetzen. Mein Mobil ist leichter zu rangieren. Man sieht vor meiner Frontscheibe die schwere Abdeckung, welche Marokkaner am Rande der Sahara fertigten und Campern verkauften.
Doch so ein Traumfahrzeug war mit meinem lieben Marktweiblein als glückliche Gärtnerin nicht zu schaffen. Nun hat sie daheim ihr Häuschen mit Garten, mein Häuschen rollt durch den Garten der Welt, eben mit sechs Meter Länge und zwei Metern Breite.
Statt Ersparnisse bei Aktien- oder Inflationsverlusten zu verlieren, wäre da nicht beispielsweise dieser zehnjährige Morelo für meine verbleibende Restlaufzeit vernünftiger?
Doch enge Druchfahrten in England, der türkische Pass auf einer Schotterstraße, die Fahrt unter hängenden Stromleitungen in gruseligem Vorortviertel von Tanger, das Festfahren im Schlamm in Russland, aus dem mich der Polizeijeep heraus zog, die schmale Gasse von der Höhe des Ätnas in Sizilien hinunter, wo die Zweige am Wagen kratzten, die Suche nach einem Camp in Palermo, das es nicht gab und wo nur mit angeklappten Spiegel durchzukommen war, all das und mehr wäre mit solchem Dickschiff unmöglich. Was tun? Sich mit der Höllenhitze abfinden und glückliche Garten- und Hausberichte von daheim mir anhören.
Der liebe Nachbar im Morelo hat mir zwei Bilder von Toledo bei Nacht geschickt. Mit Frau und Moped haben sie die Strecke gemacht, wofür mein Körper längst zu schlapp war.
Noch um 24.00 Uhr war es 30 Grad Celsius im Wagen. Manch Camp-Bekanntschaften bekommen einen kleinen Zettel mit meiner Homepage und E-Mail-Adresse. Der liebe Morelo-Nachbar ist einer der Wenigen, die mir geantwortet haben. Herzlichen Dank! Jetzt weiter in meiner Abwägung zwischen Dickschiff und meiner rollenden Einsiedelei.
Das Wichtigste spricht für mein Mobil: Unsere ruhige Straße vor dem Haus ist gerade für zwei Meter Breite zugelassen. Da zapft mein Auto 220 Volt, bereit für Fahrten wann und wohin es mich treibt. Übrigens verschont mich am dritten Morgen Toledo mit 23 Grad im Wagen. Da braucht man einen Pulli.
Abchied von Toledo
Noch einen Vor- und Nachmittag zeigt sich mir die Stadt mit ihren verwirrenden, verwinkelten Straßen und Gassen. Ohne mich um Kirchen und Museen zu kümmern, reicht es mir meinen "Tempel, die Markthalle" zu suchen und zu finden.
Wahrscheinlich ist der Eingang zur Universidad de Castilla-La Mancha Campus de Toledo mir zuvor schon aufgefallen und vielleicht zweimal im Blog, doch die zahlreichen Eindrücke lassen sich in drei kurzen Tagen nicht besser ordnen.
Zum Glück versorgt mich das Restaurante Finca del Greco mit Wifi und noch wichtiger in einem klimatisierten Raum. Denn bei 34 Grad im Auto kann man schlecht mit all diesen Daten spielen.
Kirchen wie Museen kosten in Toledo Eintritt. Ohne mich der Eintrittsprozedur zu unterwerfen, lässt sich ein Bild vom Seiteneingang erschleichen. Das stört niemanden.
Wer hier zwei Wochen oder besser Monate bleibt, kennt sich in den Gassen und Straßen aus. Mir reicht es, wenn mein KIOX-Display mit der Bosch-App mich zur Markthalle und wieder raus aus der Stadt zum Camp führt.
Dieser Engel mit hoch erhobenem Schwert in beiden Händen scheint mir neu. Ob der Engel die himmlische Gerechtigkeit der Inquisition symbolisiert? Ein Museum mit Folterwerkzeugen hat mir in Cordoba schon alle erdenklichen Grausamkeiten gezeigt. Das braucht man hier kein zweites Mal.
Genug von mittelalterlichen Gemäuern und neuzeitlichem Straßenverkehr kreuz und quer durch Toledo. Genug von den Einkaufstraßen mit dem Menschengewühl, genug von all den Läden, die alles nutzlos Schöne aus Spanien oder auch aus Taiwan verkaufen, genug von der Hitze. Die vierte Etappe bei Madrid entfällt. Morgen geht es daher direkt nach El Escorial. Die 133 Kilometer sollten zu schaffen sein. Viel Spass mit diesem
1 Kommentar:
Überraschung! In Zentralspanien wird es im Mai schon mal 37°C heiß über Tag. Das konnte man ja auch nicht im Voraus wissen und seine Reise entsprechend planen, wenn man mit Hitze nicht umzugehen weiß. Vielleicht wäre die luftige Küste mit einer frischen Brise nachts und die noch angenehme Cote d'Azur eine bessere Entscheidung gewesen.
Und anstatt ein großes Wohnmobil für 170 000 EUR zu kaufen, könnte man sich einfach eine anständige Klimaanlage fürs Wohnmobil zulegen oder mit einem tragbaren Kühlgerät, das man an den Strom auf dem Campingplatz anschließt, zurecht kommen, wenn man denn unbedingt im Sommer ins heiße Spanien will. Die paar dicken Beine in kurzen Röckchen sind wohl kaum die "Höllenhitze", die "Höllensonne", die "34° in der Plastikschachtel" usw. wert.
Fahr zurück in den Thüringer Wald, dort ist es nachts angenehme 10°C und tagsüber schöne 21°C, und wenns sein muß, gehts eben in Richtung Müritz, Ostsee und ins Baltikum, dort kann man es als alter Mann im Sommer aushalten. Zentralspanien wäre für die Zeit im Februar mit Impfung angesagt gewesen.
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