23 Juli 2022

Oberhof, Bielefeld, Westerkappeln, Volkmarsen, Wetterburg , 99 Jahre alte Tante


 Meine Tante, Schwester meiner Mutter, muss mit 99 Jahren ins Heim. Für sie ist es ein Schock nach Jahrzehnten mit voller Lehrerinnenpension in ein kleines Zimmer umzuziehen mit Vollverpflegung und -versorgung. Mein Besuch im Heim soll ihr Mut machen, doch das ist schwer. Dazu lastet auf mir die Hitze von 37 Grad im Auto. Im Kühlschrank steigt die Temperatur auf 30 Grad, wenn er auf Gas läuft, da müssen Mechaniker ran.

 Räder rollten morgens los für die lange Reise durch das heiße Land zur Tante, doch die Inspektion meines Rades in Kronach wurde nicht fertig. Um 10.00 Uhr vertröstet man mich auf Mittag, weil noch das vordere Licht repariert werden muss. Um 12.00 Uhr sagt man, das Lichtkabel im Rahmen sei gebrochen. Um 15.00 Uhr kann ich das Rad holen nach der 9711-Kilometer Inspektion für 285,60 Euro. Das Geld für die Reparatur des Lichts lassen sie sich als Garantiefall abhandeln, bleiben 248,10 Euro. Dafür gibt es Bremsscheiben und Beläge, sowie den hinteren Mantel. Doch die Begrenzung des Lenkereinschlags geht nicht mehr. Die Werkstatt bestellt das Ersatzteil. Um 16.00 Uhr kurz vor Geschäftsschluss geben sie mir das Rad raus.

10.000 Kilometer E-Bike in zwei Jahren

30.09.2020 Kauf 3250,-- Euro
26.11.2020 KM 1436 Inspektion 58,35 Euro
19.06.2021 KM 3586 Inspektion 93,75 Euro
27.07.2021 Knacken im Motor beseitigt auf Garantie
13.10.2021 KM 6324 Inspektion  84,85 Euro
16.07.2022 KM 9711 Inspektion 248,10 Euro

Für knapp 10.000 Kilometer 485,05 Euro Wartungskosten wären bei einem Moped ähnlich ausgefallen. Ein Moped braucht dabei etwa für 300 Euro Kraftstoff. Die Kosten für 113 Ladezyklen für den E-Bike Akkus fehlen in meiner Rechnung.



Oberhof

Nach knapp 100 Kilometern hinter Kronach, nach der Kurverei durch das Welterbe-Biospährenreservat Thüringer Wald verlässt mich am frühen Abend die Reiselust in Oberhof auf 815 Metern Höhe.




Der Stellplatz mit Strom lädt den Fahrradakku und unterhält mich mit SAT-TV.



Oberhof bietet Ski- und Wandertouristen alpinen Kitsch. Der Gasthof wirbt für ein Zander-Filet für 26,90 Euro - aber alle Plätze sind reserviert. Draußen am Katzentisch würde man mich noch bewirten.



Zur Abendmahlzeit am Katzentisch vor der Tür tischt mir der Wirt Palatschinken mit Spinatfüllung auf, derweil Tiroler Musi in Endlosschleife dudelt. Der Koch fragt, ob Käse noch recht sei, stürzt mit einem dicken Brocken Käse und einer Reibe raus und schnitzelt gelbe Streifen über das von Tomatensoße gefärbte Mahl - 17,90 Euro, Getränk gibt's im Auto. Großer Pluspunkt die Sanitäranlage!




Dies stolze Hotel in Oberhof geht auf DDR-Bautätigkeit zurück, wobei die Bonzen eine preisgünstige, italienische Firma beauftragten. In einem verdammt kalten Winter machten die E-Werke schlapp, mussten  Regionen, auch Oberhof den Strom abschalten. Da saß die Festgesellschaft in Abendgardrobe bei 20 oder mehr Grad unter Null im Kalten und Dunklen. Aufzüge gingen nicht mehr, über Nottreppen, die außen führten, mussten die Damen über vereiste Stufen stöckeln. Ein spannendes Doku-Drama auf dem MDR, sehr empfehlenswert!




Schmuck liegt "Villa Edelweiß" in der Abendsonne, mit Kunstschiefer verkleidet. Edelweiß wächst nicht in Oberhof, dafür Gänseblümchen. Wer würde in einer "Villa Gänseblümchen" logieren wollen? Und was soll man daheim vom Urlaub erzählen, wo man sich einquartiert hatte? Also passt der Name: "Villa Edelweiß".




Wie immer und überall gibt es im Frühling und Sommer Feste wie Hochzeiten, in Nürnberg Blechbläser oder in Oberhof das Feuerwehrfest. Bratwurst und Bier als Nationalgericht und Nationalgetränk gehören dazu.




Kinder bestaunen einen Feuerwehrschutzanzug. Im Hintergrund schlängelt sich eine Rutsche vom Haus.




Feuerwehr-, Kranken- und Militärfahrzeuge verfügen über eine bewunderswerte Ausstattung. Auch in meinem Wohnmobil herrscht Ordnung, die mich meist alles finden lässt - auch im Dunklen.




Gegen 5.15 Uhr holt mich die erste Morgenröte aus den Federn, der Gasofen heizt schnell Kälte von 16.00 Grad Celsius auf, um vernünftig zu arbeiten, aufzuräumen und abzufahren. Meine Übernachtungsgebühr in der Villa Flora wollte ein Mitarbeiter nicht haben, der Bratklöpse für das Feuerwehrfest knetete und mich auf die Chefin verwies. Da die nicht kam, bekam sie kein Geld. Die hektische Abfahrt rächt sich, als die Sonne von hinten auf der Autobahn mir den Schatten meiner aufgerichteten SAT-Antenne zeigt! Ein Stopp auf dem Standstreifen der Autobahn, schnell hinter mir den Knopf zum Antenneneinzug gedrückt und weiter zur nächsten Pause auf einem Autobahnparkplatz neben dem Militärfahrzeug im Titelbild.



Die Zeiten 500 Kilometer auf einem Sitz abzureiten, sind vorbei. Meine Holde daheim murrte und maulte schon nach 50 Kilometer und musste nach 100 Kilometer raus aus der Autokiste. Nun hat sie daheim ihren Spielplatz, um sich zu verwöhnen.



Bielefeld




Der Weg zur uralten Tante führt an meiner Geburtstadt Bielefeld vorbei. Die Strecke von 260 Kilometer von Oberhof bis Bielefeld reichen mir. Vater bekam nach dem Krieg als Postbeamter eine Dienstwohnung in der Bielefelder Hauptpost.


Bild aus Bruder Ulis Blog



Allerdings sah 1954 alles anders aus. Mir sind keine Erinnerungen geblieben. Meine Schultüte in der Hand zeigt mich als Sechsjährigen. Karge Nachkriegszeiten sind mir im Gedächtnis geblieben. Im Herbst haben wir mit der Familie Bucheckern gesammelt. Daraus wurde Öl für uns gepresst.



Der Posthof könnte mein Spielplatz gewesen sein, doch der Erinnerung ist nach Jahrzehnten schlecht zu trauen.

Bild aus Bruder Ulis Blog

Vier Brüder sind wir gewesen, die Vater und Mutter in den harten Nachkriegsjahren versorgen mussten. Die beiden Großen von der ersten Frau, die im Krieg starb.


Kreuz und quer geht es mit dem Rad durch die Stadt, die mir nichts mehr von meiner alten Zeiten verrät.

Am Oetker-Gelände führt eine Eisenbahnlinie vorbei, doch ob es diese damals war?


Spätere Jahrzehnte haben Bielefeld umgestaltet.


Kurz nach dem Bild 1954 auf meinem Weg in die erste Klasse sind wir nach Münster gezogen.



Die Straße sieht aus, als hätte es das Dürkopp-Werk dort schon immer gegeben.



Für einen Weltkriegsbunker hat das Mauerwerk zuviel Glas. Auch hockt bei näherer Betrachtung wertvolle Kunst vor der Mauer.



Wie kommt Rodins Denker vor dies Gebäude? Eine Tafel verrät, dass Bauwerk und Plastik die Familie Oetker im heißen 68iger Herbst gestiftet hat. 



Meine Zeit reicht nicht, Schätze aller Kirchen, Kunsthallen und Museen zu bewundern. Bielefeld hat einen Stellplatz mit Stromsäulen gebaut, der mich dort komfortabel übernachten lässt. Das ist mir wichtig. Was der Storch auf der Wiese sucht, ist mir nicht klar.




Weiterhin gestalten Stadtbauexperten Bielefeld um und um.




Nicht einmal die Sparrenburg, das Wahrzeichen von Bielefeld, kommt mir bekannt vor. Ob diese Burg in den letzten, sieben Jahrzehnten auch vollkommen renoviert wurde und damals anders aussah?




Alles ist neu, als Neuestes noch Container zum Covid-Test. Die Plastik erinnert daran, wie man  abends nach Arbeit und Reise zerquetscht auf die Knie geht.




Dieser Herr steht aufrecht auf dem Sockel mit Pfeife und Schirm. Er steht dort wohl schon lange, für mich ist er neu.



Bis zu diesem Park mit den alten Gebäuden reichten vor bald 70 Jahre meine kurzen Beine nicht. Ein Fahrrad kam erst in der nächsten Stadt Münster zu mir.



Mein Stellplatzführer beschreibt Bielefeld als einen Ort mit sehenswerten Altstadt - zu Recht.




Neben Oetker ist der Tabakmogul Crüwell berühmt in Bielefeld, der vermutlich in dieser Villa residierte. Jedenfalls steht über dem Klingelschild "Crüwell-Villa".




Das Fabrikgelände von Dr. Oetker kommt mir bekannt vor. Waren vor Jahrzehnten nicht zwei Bahnstrecken dort?




Die Reise in die Vergangenheit krönt ein herrlicher Oldtimer, schwer, breit und behäbig mit röhrendem Ansaugmotor, viel Chrom und Weißwandreifen.



Tante Isolde mit 99 Jahren ins Heim

Der Mensch ist eine Bio-Maschine, die beste Bedingungen sucht, um optimal zu funktionieren. Im WW2 hieß es, "Räder müssen rollen für den Sieg", für Bio-Maschinen gilt: "Beine müssen laufen - um ihr Leben." Erst im Heim lernt mein altes Tantchen, einen Rollator zu "fahren". Bislang galt ihr Stolz, sich auf eigenen Beinen zu halten, 99 Jahre lang.

Vor ein paar Tagen ging es nicht mehr anders. Die liebe, alte Tante musste aus ihrer großen Wohnung, in der sie Jahrzehnte gelebt hat, in ein Seniorenheim umziehen. Es fällt ihr schwer, sich an ihr kleines Zimmer im Heim und die neue Umgebung zu gewöhnen. Zum Telefonieren muss sie Zahlen erkennen und Tasten treffen. Das ist nicht leicht mit 99 Jahren.



Wegen Corona sind wir die letzten Jahre nicht bei ihr gewesen.




Im Seniorenheim sitzt sie im Aufenthaltsraum. Apathisch wie abwesend döst sie im Stuhl vor sich hin. Langsam hebt sie den Blick und sieht mich auf dem Stuhl vor ihr. "Erhard?", fragt sie erstaunt. So beginnt unsere Begegnung nach langer Zeit.




Es wird mir immer klarer, dass wir Bio-Maschinen mit Ablaufdatum gleichen. Meine ermunternden Sätze: "Deinen hunderten Geburtstag wirst du hier schaffen!" Sie überlegt eine Weile, weil sie jedes ihrer Worte wägt und erwidert: "Das ist keine Frage der Jahre sondern des Wohlbefindens."




In ihrer seit Jahrzehnten bewohnten Residenz - möchte man sagen - großes Südzimmer mit Balkon, Gästetoilette, Sanitärraum mit zwei Waschbecken, Dusche und Bad, Küche, Arbeits- und Schlafzimmer konnte sie spazieren, das kann sie im Seniorenheim ebenso. Doch wieso sie dort jetzt wohnt, scheint ihr Grund einer komplizierten Intrige gewesen zu sein, über die sie nicht reden will. So sich eine Bio-Maschine in Wahnvorstellungen verstrickt, kann nichts und niemand mehr argumentieren.




Ebensowenig helfen Karikaturen oder wütende Texte wie von Pirincci gegen die Verwahrlosung im Land, den Untergang des Abendlands oder Bücher wie "Deutschland von Sinnen schafft sich ab". Als automatisierte Bio-Maschinen sind unsere Bio-Computer zwischen den Ohren und mehr noch im Bauch programmiert. Wenn russische Regierungskreise mit Putin entschieden haben, ihre Soldaten durch Krieg für's Vaterland zu disziplinieren und zu dressieren, dann passiert dies so, wie die US-Marines als Bio-Kampfmaschinen in Vietnam oder in den Irak eingefallen sind. Im Krieg wie im Frieden rechnen Bio-Maschinen auf Gewinn und fürchten Verlust. Ein notwendiger Umzug ins Seniorenheim, weil daheim die 99jährigen nicht mehr zu pflegen war, entscheidet die Betroffene als nachteilig. Also müssen böse Mächte ihr übel mitgespielt haben.



Nun kann mein altes Tantchen munter ihr Heim verlassen, um in der Umgebung der stillen Sackgasse zu spazieren. Dazu muss sie Wege im Heim und daraus heraus und wieder zurück kennen. Ohne das Wissen, wie sie den Aufzug anfordert, kommt sie nicht raus. Erst im Heim übrigens hat sie ihren Stolz, immer alleine und ohne Stock gehen zu können, aufgegeben und überrascht festgestellt, dass sie mit Rollator schneller und leichter weiter kommt. Sie legt allerdings Wert darauf, die Gehhilfe als Rollator zu bezeichnen und lehnt das Wort Rentnerferrari ab. Das Lehrersyndrom in fünfter Generation der Familientradition legt Wert auf das passende Wort.



Nicht nur Wörter, Worte auch Lieder müssen dem Wohlgefühl von Bio-Maschinen dienen. Um Gedankenkultur in Gewinn bringende Bahnen zu steuern, sind Eingriffe in das Sprach- und Denkvermögen notwendig. Die Gedankenpolizei arbeitet daran und schafft das immer besser.




Jahrzehnte hat sie in der riesigen Wohnung allein gewohnt, residiert, möchte man schreiben. Jetzt geht alles raus.


Das letzte Hemd hat keine Taschen, ihr letztes Zimmer keinen Platz.



Badewanne, Dusche, zwei Toilettenschüssel - alles wird rausgerissen, obgleich es bestens erhalten und gepflegt ist, aber eben "uralt".



Drei Minuten von ihrer Wohnung ist das Freibad Bullerteich. Dort hat sie hunderte Mal geschwommen, jedes Bad gezählt, in den letzten Jahren nicht mehr. Als Mitglied im Förderkreis Bullerteich ist dort neben vielen anderen auch ein Ziegelstein im Pflaster mit ihrem Namen. Schwimmen und zahlreiche Bekannschaften, die sie immer wieder angerufen und besucht haben, haben sie jung gehalten.




Auch wenn mir jetzt ihre große Wohnung als schattiges Ausweichquartier zur Verfügung steht, auch wenn der Wohnmobilstellplatz am Freibad Bullerteich zumindest morgens unter einem Baum schattig bleibt, waren es abends wieder 34 Grad Celsium im Wagen, 30 Grad im Kühlschrank. Fünf Wohnmobil-Werkstätten haben keinen Termin für eine Reparatur.




Mein letzter Besuch beim alten Tantchen war kurz. Vielleicht hat sie sich beim vorletzten Besuch, als wir draußen in der Gluthitze auf einer schattigen Bank ausruhten, mein lautes Gähnen genervt. Jedenfalls mahnte sie: "Wahre die Form!" Im Reise- und Sorgestress für sie ein wenig entspannt auf der Bank empfand sie meine Antwort: "Einmal Lehrer, immer Lehrer", als ungehörig. So korrigierte sie mich: "Aber ein Schulmeister bin ich nicht. Die Form zu wahren ist wichtig." Dass die alte Tante der ehemaligen Kanzlerin Merkel bei allen Wahlen die Treue hielt, versteht sich von selbst.



Bei der Höllenhitze in Westerkappeln kommt mein Körper selbst im Freibad schlecht zur Ruhe. Jedenfalls folgt meine zappelige Bio-Maschinerie nicht den Anweisungen meines Bio-Computers zwischen meinen Ohren, sich still auszuruhen, bei über 30 Grad im Schatten bestenfalls zu schlafen, weil erst in Oberhof, 377 Kilometer weiter, in 815 Meter Höhe eine kühlere Nacht zu erwarten wäre. Der Körper hört nicht auf meine Anweisungen, zappelt schon, wenn nur eine Fliege über die Haut krabbelt, will nicht schlafen.


Profis im Glückseligkeitsgeschäft



Profis im Geschäft zur Glückseligkeit lehren schweigend, weil Menschen ohnehin alle Buchstaben und Wörter so lesen und verstehen, wie es ihnen passt. Lehrer Ramana hat Schüler ausgebildet, die wiederum Schüler ausbilden. Alle Bio-Maschinen wollen Glückseligkeit.



Auch dieser indische Weise scharte eine Reihe von Schülern um sich. Auch mich durfte man zum Kreis seiner glücklichen Schüler zählen. Dabei helfen diese ruhigen Versenkungen wie alle regelmäßigen Übungen - egal ob Yoga, Gebet, Meditation, Fahren auf der Autobahn, musizieren, lesen oder einfach nur den Garten gießen. Ritualisierte Regelmäßigkeit hilft.




Poonjaji in Lucknow bildete zahlreiche weiterer Schüler aus, die als Lehrer wie Isaac Shapiro auch in München gegen Spenden Glückseligkeitssucher unterhielten.




Einer der Größten und Bekanntesten im Erleuchtungsgeschäft war dieser Herr, dessen Lehre darauf ruhte, das EGO seiner Schüler zu zertrümmern. Seiner Lehre nach kommen alle aufgeblasenen EGOs der Genuss-, Gier-, Gewalt-und-Geiz-gesellschaft an ein Ende, müssen sich, ihr Leben, ihre Ansichten erst durch schmerzliche Schocks ändern. Derzeit bestätigen Covid-und-Kriegs-Krise Bhagwans Theorie. Mit 99 Jahren muss meine alte Tante einsehen, dass sie trotz aller fröhlichen, letzten Jahrzehnte auf der Zielgeraden schmerzliche Verluste erleiden muss.


Auf der Autobahn Richtung Heimat



Für mich geht es von Westerkappeln ab 19.00 Uhr auf die wunderbare Autobahn, die mittlerweile von Osnabrück über Bielefeld, Paderborn und Kassel in den Süden führt. Fahrtwind aus den Lüftungsschlitzen kühlte den auf 35 Grad erhitzten Raum. In der Abenddämmerung war dann die Autobahn kurz vor Kassel gesperrt, der Verkehr musste auf die Landstraße. Ab der Sperrung quälte sich der Bleichwurm im Schritttempo über Landstraßen.


Volkmarsen


Das ging mir in Volkmarsen auf den Geist. Bei 24 Grad Celsius war ein Platz bei einfallener Dunkelheit zum Abendessen und Ausruhen in Volkmarsen gefunden. Morgens ab 5.05 Uhr nähert sich die Höllenhitzensonne wieder mit ihrer roten Feuerglut am Horizont. Ein paar Bildchen zeigen die Fachwerkidylle in Volkmarsen. Volkmarsen ist nicht zu verwechseln mit dem etwa 50 Kilometer entferten Volkmarshausen, einem Teil des romantischen Mittelalterstädchen von Hann. Münden. Dort, wo Fulda und Werra sich küssen, ihre Namen lassen müssen und als Weser weiter fließen.



Nachdem die Nacht das Auto von 37 Grad gekühlt hatte, gewährt mir nach kurzem Schlaf der frische Morgen bei 19 Grad den Sommerluxus ein wenig zu frösteln.



Ein Bäcker lässt sich bei meinem schnellen Durchgang durch Volksmarsen nicht finden, dafür eindrucksvolle Fachwerkhäuser und ein trutziger Kirchenbau.




Kein Fachwerkhaus gleicht dem andern. Fachwerk langweilt nie.




Das Standesamt in Volkmarsen macht einen beständigeren Eindruck als viele Ehen.



Sonne fehlt noch bei meinem Rundgang in der Früh.




Doch bis die Sonne wieder Stein und Bein aufheizt, muss zum einen ein Fahrtweg und zum anderen eine Werkstatt für den Kühlschrank gefunden weden.



An dem ehrwürdigen Gebäude am Bach steht in Stein gehauen: "Porte - Mühl 1613 - 1914".  Wieviele Generationen sind dort geboren, haben dort gelebt bis zum Verfallsdatum?




Bei diesem stählernen Treppenaufgang hat der Feuerwehrschutz gegen den Denkmalschutz gewonnen.



Wetterburg - Bad Arolsen - Twistesee



Die Sonne steigt, meine Lust zu fahren sinkt. Fünf Kilometer weiter ergibt sich als lohnendes Ziel ein Standplatz mit Strom. Der liegt in Wetterburg an der Twistetalsperre. Meine Standgebühr von 15 Euro für 24 Stunden beginnt um 7.07 Uhr in der Früh. Mit Netzstrom lässt sich testen, ob der Kühlschrank auf Elektrobetrieb besser arbeitet als im Gasbetrieb. Das tut er.




Der Gedenkstein verkündet: "TWISTETALSPERRE 1973 - 1981 HESS. WASSERVERBAND DIEMEL INHALT 9 Mio cbm WASSERFLÄCHE 76 ha DAMMHÖHE 22 m"




Vor der Höllensonnengluthitze muss mich das sieben Kilometer entfernte Bad Arolsen mit Lebensmitteln versorgen.



Bad Arolsen



Noch steht die Sonne niedrig, durchleuchtet das Blattwerk mit zauberhaftem Grün, noch bauen Marktkaufleute an der Kirche ihre Stände auf, noch hat Edeka geschlossen, nur Brötchen sind schon in meiner Satteltasche.



Hier präsentiert sich ein großes Gebäude in Fachwerkbaukunst im Sommersonnenmorgenlicht.




Jogurth, Kirschen, Käse und Kartoffelreibekuchen mit Apfelmus sind in der Satteltasche und müssen jetzt rasch in den Kühlschrank. Ein offener Mini flitzt vorbei, die Sonne fängt an zu braten.




Junge wie Alte genießen den gut ausgebauten, ruhigen Radweg von Bad Arolsen zum Twistesse.




Da liegt die kühle Schönheit im Sommersonnenglanz, die dreimal am Tag meine Betriebstemperatur kühlt.




Alle geöffnet: Fenster, Dachluken, Aufbau- und Seitentür und Heckklappe sollen eine kühlende Brise durch das Auto leiten, was dann mit 35 Grad schön kühl bleibt. Mit Strom arbeitet der Kühlschrank besser. Näher daheim in Thüringen gibt mir eine Werkstatt in Suhl sofort einen Termin.




Der Reisemobilhafen in Wetterburg verfügt über 150 Stellplätze, die meisten mit Seeblick. In einer Bucht ohne Seeblick steht mein Mobil allein im Schatten eines Ahornbaumes. Irgendwann dröhnt der gewaltige 350-PS-Diesel dieses 14-Tonnen-Monstermobils mit Anhänger. Der junge Fahrer kuppelt den Anhäger ab, um durch die Kurve in die einsame Parkbucht zu kommen. Das Paar ist aus Norwegen. Die junge Frau fährt Motorrad mit Helm und Bikinioberteil. Sieben Uhr morgens angekommen geht es zur gleichen Zeit in der Früh weiter zur nächsten Etappe ins kühlere Oberhof.


Glücklich daheim


Immer wieder erinnern mich Ereignisse an das unvergessliche Wort von Brecht:

"Mach' nur einen Plan
sei ein kluges Licht,
mach' 'nen zweiten Plan,
geh'n, tu'n sie beide nicht."


Die Hetze über die Autobahn ohne Stau und Aufenthalt endet an einer Ausfahrt, wo der Anstieg ins 815 Meter höhere Oberhof beginnt. Der Diesel leistet auf den letzten 15 Kilometer vor der erhofften nächsten Nacht im Schatten des Stellplatzes Oberhof schwerste Arbeit. Plötzlich fällt die Leistung rapide ab, das Warnlicht der Vorglühanlage brennt. Das Bordbuch schreibt dazu: "Fehler in der Motorsteuerung". Pause. Frühstück. Neustart. Drei Kilometer weiter das gleiche Problem. Pause. Mit einer weiteren Übernachtung wird es nichts. Die letzten Höhenmeter schleppt sich das Auto über den Bergpass bei Oberhof mit weniger als 2000 Umdrehungen in niedrigen Gängen. Dann runter vom Berg - immer bei 2000 Umdrehungen, nie über 80 km/h, nicht auf die Autobahn. Ob die Kiste mich heim und dann bis zur Werkstatt schleppt? Sie schafft es. Der Werkstattmeister schockiert mich mit dem Verdacht auf einen Fehler im Turbolader - und das erst bei 219400 Kilometern!



Daheim bei meiner Liebsten





In meiner Bio-Maschinerie läuft das Sommersonnenprogamm  "Reisefieber". Das Auto steht bei der VW-Werkstatt, jetzt geht's mit dem Fahrrad weiter. Meine Liebste werkelt freiwillig bei der "Solawi Föritz" mit. Das ist eine solidarische Landwirtschaft, wo viele helfen, anbauen und ernten. Im verregneten Jahr zuvor brachten die Felder mehr, als sie verbrauchen konnten. In diesem trockenen Jahr verdorren viele Pflanzen trotz aller Pflege. Mein Frauchen im orange leuchtenden Hemd fällt mir schon von weitem auf. Doch bevor wir einander in die Arme schließen, erstaunt mich, was die Menschen dort in den letzten Wochen und Monaten aufgebaut haben.




Nur flüchtig wirkt die grüne Schrift im Schild über dem Eingangstor auf mich und bleibt daher unbeachtet: "BETRETEN NUR FÜR VEREINSMITGLIEDER *INNEN".  Doch als Mann meiner Liebsten ausgewiesen, steht mir das Gelände offen für eine Besichtigung, geführt von meiner Frau.




Hier hat ein Künstler aus Lehm eine Sitzgruppe gezaubert, wo von jedem Platz aus die Landschaft in anderem Blickwinkel erscheint.




Bei Bedarf schützt eine Plane die Küche, Solarstrom für den Kühlschrank, Gas und Holz für die Kochstellen.





Fleiß und Erfindungsgeist stattet das Erdhaus immer luxuriöser aus.




Nicht einmal auf den Komfort eines Wannesbades müssen die Menschen verzichten.




Wenn nur mehr Regen fallen würde, um der braun verdorrten Steppenlandschaft wieder grünes Leben einzuhauchen!




Meine Frau ist dort mit Gleichgesinnten und ihrer Gartenarbeit so glücklich, wie mich meine Reisen beglücken.

Das Beste zum Schluß: Das Auslesen des Fehlerspeichers meines Womos schreibt "Ladedruckregelung Regelgrenze unterschritten, oberer Grenzwert überschritten." Der Turbolader zeigt Schwächen, doch die Werkstatt lässt mich weiter fahren. Vielleicht lassen sich bei vorsichtigerer Fahrweise noch Tausende Kilometer aus der Maschine herauskitzeln, schließlich hat sie ja erst 219400 Kilometer geleistet. Doch erstmal glücklich daheim.


"TRABANT seit 1990 kein Rückruf" steht in der Heckscheibe.



 
In der 20. Woche immer auf Achse wird mir klar!





Daheim ist es am

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