16 April 2022

Banyuls-sur-Mer, Motigl-les-Bains, Fenouillet, Pyrénées-Oriental, der Letzte Schrei



Leben ist gefährlich, egal ob auf dem Fahrrad, im Auto und erst recht im Krieg. Doch im Frieden sterben die meisten Menschen im Bett. Solange Bomben, Kugeln und Granaten nicht bei uns einschlagen, bleibt das Risiko überschaubar.  Wer sich mit Politik beschäftigt, muss sich mit Krieg befassen. Reisen vertreibt mir die trüben Gedanken an Kriegspolitik.


Das Wort Kriegsverbrechen scheint mir absurd, weil Krieg das Verbrechen ist.



Kleine "Spanienrundfahrt"


Meine "kleine Spanienrundfahrt" hat den Akku und mich erschöpft. Ohne Unterstützung des Akkus muss man das 25 Kilo schwere E-Bike Kilometer weit bergauf schieben.




Beim Anstieg auf der wunderbaren Bergstraße hätte man besser mehr selber gestrampelt und weniger Strom verbraucht. Doch dass die Strecke 70 Kilometer immer wieder bergauf und -ab gehen sollte, war mir leider nicht klar.



Dass bei der Berg- und Talfahrt schlußendlich 1309 Höhenmeter geschafft waren, spüren meine müden Knochen noch Tage später.



Dies Denkmal rühmt den Fluchtweg von Banyuls-sur-Mer über die französische Grenze.




Der Anstieg durch die stille Landschaft ist so wunderschön, dass man die Welt mit Krise, Krankheit, Krieg zu vergessen beginnt.



Zurückblickend sieht man, wo das Blau von Himmel und Meer sich trifft.


Auf der Tafel steht: "Erinnerung an 100.000 Männer, Frauen und Kinder, die während der drei Kriegsjahre gegen den Franco-Faschismus hier im Februar 1939 über den Berg von Banyuls sur Mer fliehen konnten."



Der Anstieg vom Meer auf die bescheidene Höhe des Col de Banyuls von 355 Meter fiel mir leicht.


Die 15 Kilometer lange sausende Abfahrt kam irgendwo in Spanien an einem kleinen Ort raus. Vom Meer war da nichts mehr zu sehen. Die Korkeiche am Wegrand ist im ersten Drittel des Stamms geschält.



Der Weg ins spanischen Hinterland zieht sich - anders als vorgestellt - endlos weit hin.


Zudem wird es spät, dass es zur Heimkehr drängt.


Erst später im Wagen macht mir Google-Maps klar, wie weit das spanische Dorf Espolla von der Küste entfernt liegt.





Doch es hilft nichts: Jetzt muss es auf schnellster Strecke zurück zum Meer, zum Camp, zum Auto. Das spanische Bauernhaus am Weg zeigt zwar wenig Fenster, verrät aber durch aufgehängte Wäsche Bewohner.


Hier in Garriguella war mir nur soviel klar, dass der Ort weit, weit von daheim entfernt ist.



Mit bangem Blick auf die schwindende Akku-Leistungsanzeige hat man dann kaum mehr ein Auge für die wilde Burg am Wegrand.



Endlich ist dann zumindest wieder die Küste erreicht, was mir Hoffnung gibt.



So wunderschön die Straße sich an der Küste entlang windet, die Steigungen machen keinen Spass, wenn der Akku sich leert.



Am Coll del Frare verrät das Schild, hat mich die Strampelei wieder auf 499 Meter über das Meer gerbracht. Durch die dunkle Tunnelröhre saust ein Gegenwind, gegen den man nur mit viel Kraft ankommt.


Nach dem Tunnel saust die Fahrt runten ins letzte Grenzstädtchen Spaniens: Portbou. Ein Fluch entringt sich mir, als sich am Ortsausgang von Portbou wieder die Straße in Bergeshöhe schlängelt.


Zehn Prozent Akkuleistung kann man bei einem Höhenanstieg von ein paar Hundert Metern vergessen. Also heißt es schieben, schieben, schieben.



Klar, dass das alles wunderschön aussieht beim Licht der letzten Abendsonne, aber mir macht das alles nach bald vier Stunden keinen Spaß mehr.



Hier hat mich der nächste Tunnel ausgespuckt und mich hinunter in französiche Grenzstädtchen gleiten lassen, doch von Meereshöhe geht es wieder auf den nächsten Hügel - zu Fuß. Jetzt gibt es kein Foto mehr, nur noch schnaufend schieben und strampeln ohne Strom. Es dämmert schon, bis daheim mir der schlaue Fahrrad-Computer meldet, dass er 1399 Höhenmeter, 71,7 Kilometer in 04:28 Std:Min gezählt hat. Das war zuviel für mich.

Marktsonntag in Banyuls-sur-Mer




So wunderschön scheint die Morgensonne auf die Bäume, welche vor meinem Fenster stehen. Trotzdem hält es mich nur zwei Nächte in Banyuls-sur-Mer.



Der milde Fußweg zum Marktsonntag ins Städtchen Banyuls gibt die nötige Erholung. "Palmier" sagt die Übersetzung von leo.org heißt "Palme" aber auch "Schweineohr".




Bunte Stoffe flattern im Sonnenlicht.


Der Marktverkäufer hat sein Smartphone besser im Blick als die vorbei laufende Kundschaft.




Hier gibt es den ersten Spargel im Jahr für mich. Die Verkäuferin ist tüchtig, lockt mich mit einem Euro Rabatt für zwei Bündel: 15 Euro.





Die bunten Farben machen mir nach den trüben Wintermonaten Freude.


Hier kaufen Marktkunden Sonntagsbraten.



Bücher über Bücher - diesmal abweichend von sonstigen Marktgewohnheiten in Plastikkisten., üblich sind Bananenkartons. Meine Frau hat mich etwa zwanzig Jahre auf dem Bamberger Weihnachtsmarkt in die Machenschaften von Marktverkäufern eingeweiht.


Im Frühling wird es Zeit für eine neue Matraze.



Der alte Graubart mit dem schwarzen Hund inspiziert die Auslagen des Matrazenhändlers. Gegenüber brutzelt in der großen Pfanne köstliches Mittagsmahl. Die Kunden bekommen es in Plastikbehältern mit.





Nach meiner köstlichen Spargelmahlzeit daheim geht es zum letzten Stadtbummel ans Meer. Hier an der Bahnstrecke steht die teure Familiengruft, die nicht mehr auf dem Friedhof gegenüber Platz fand.



Molitg-les-Bains






Seit dem 19. März in Aigues-Mortes führte mich mein Weg immer wieder zum Meer oder in dessen Nähe. Jetzt überkommt mich die Lust, in die Berge zu dieseln. Der Ort lässt sich kaum aussprechen und merken: Molitg-les-Bains. Laut Wiki liegt er auf 353 bis 1237 Meter Höhe und beherbergt 242 Einwohner. Das Camp liegt auf 600 Meter Höhe mit Blick auf die verschneiten Berge.






Mit stoischer Geduldsamkeit bewältigt mein Dieselroß die einspurige Strecke mit großen Steigungen im zweiten, maximal im dritten Gang. Dort am Camp hat der Motor erstmal Puase, bis mir ein guter Platz zusagt. Danach gab das Anlasserrelais nur ein Klacken zu hören, drehte aber nicht den Motor an.






Bei aufgeklappter Motorhaube kühlte die Maschine ab, während mir in Ruhe mein zweites Paket Spargel, Salat, Baguette, Käse und Alk freies Bier neue Kraft gaben. Danach sprang der Motor an. - zum Glück! Am Abend kam eine junge Dame, um meine Personalien aufzunehen. Zahlen muss man das Camp bei der "Casa del Ville".



Die Gegend und das Bergdorf sind nach der Zeit am Meer mit all dem Ferientourismus eine wunderbare Abwechselung.


Die Schnee bedeckten Berge hüllen sich am Abend in Wolken.


Hoffentlich bleibt es trocken, um auf diesen kurvigen, engen, einsamen Bergstraßen zu radeln.


Das Kurhotel gibt mit dem Thermalwasser den Kurgästen neue Kraft. Mit Reservierung können am Nachmittag auch Camper baden.


Prades



Prades ist laut Wiki und Touristenbüro ein historisches Kleinod. Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt 40 Prozent, also muss man auf dem Rad sich warm anziehen für die sausende Abfahrt ins Tal und Regenzeug einpacken.




Beim Kurhotel blickt man in den Abgrund mit dem rauschenden Gebirgsbach.




Die Berggipfel sind grau mit Wolken verhangen. Zum Glück verschont mich Regen.



Die Gebirgsstraße ist kunstvoll in den Berg gebaut. Aber die Steigungen sind meist erträglich. Schneller als 50 km/h rollt das Rad nicht.




Das Kirchlein hat einen Turmaufbau in Sparausführung. Davor blüht rosa ein Mandelbäumchen.



Auch Prades verfügt über ein brauchbares Camp. Das Touristenbüro in Collioure hat mir die Karte "Hèbergements" gegeben. Auf ihr sind für die "Pyrénées-Orientales" unzählige Camps eingetragen.




Der Bach fließt in der Rinne neben der Straße. Viele Häuser scheinen aus Feldsteinen gebaut zu sein.




Durch diese Einbahnstraße muss man als Radfahrer fahren. Die davon abgehenden Straßen sind auch nicht anders.




Zufällig ist an diesem Dienstag in Prades Markt.



Zahllose Marktstände bieten nahezu alles, was man braucht.





Lust auf geschmorte Schnecken in Tomatensauce?




Zwei Marktfrauen freuen sich, weil ihr Angebot meine Aufmerksamkeit für ein Bild findet.



Geflochtene Körbe und Taschen können marokkanischen Ursprung kaum verleugnen.





Aus der Altkleidersammlung frisch auf den Tisch..




An dem österlich geschmückten Kreisverkehr geht es dann wieder auf den Berg zum Camp.



Ein traumhaft hübsches Städtchen im Sonnenlicht



Künstler haben aus rundlichen Feldsteinen eine gerade Mauer gebaut.



Vor einer Kurve erhebt sich gespenstisch ein Baumgerippe, im Vordergrund blüht gelb der Frühling. Nach der zweiten Nacht liegt das Camp im milden Regen. Wolken wabern durch das Bergdorf.


Mosset


Der Regentag lässt sich für eine Wanderung nutzen.




Der schmale Wanderweg führt anderthalb Stunden an dieser Wasserrinne vorbei. Einige umgestürzte Bäume muss man dabei übersteigen.


Etwa fünf Kilometer lang lässt sich kein Mensch blicken. Nur ein verschrecktes Reh springt in Deckung.


Mit Schiebern lässt sich das Wasser auf Wiesen und Obstplantagen umleiten.



Ausgerechnet heute hat das Restaurant einen Ruhetag. Doch der Ortsladen verkauft mir ein Käsebrot und einen Kaffee, was mich für den Rückmarsch kräftigt.



Im Dorf hat sich dieser Kaktus prächtig entwickelt.

Fenouillet



Ohne Proviant sollte man kein einsames Camp anfahren. Also geht die Kurverei von 600 Meter Höhe ins Tal nach Prades. Dort versorgt mich das riesige Einkaufzentrum mit Lebensmitteln und Getränken für mindestens die drei kommenden Tage.




Die einspurige Bergstrecke führt auf 1000 Meter Passhöhe. Die Strecke ist fast nur im zweiten Gang mit 30 km/h zu fahren. Da hat man sich auf der Höhe eine Pause verdient. Tisch und Stühle aus massivem Stein sind unkaputtbar.




Der seltsam geformte Stein dient schon als Titelbild. Vermutlich haben sich Hirten aus Feldsteinen diesen Unterschlupf gebaut.



Auf dem wunderbaren Naturcamp www.campingdesrandonneurs  hat sich dieser ältere Wohnanhänger schon gut eingerichtet.




Fenouillet war vor Hunderten Jahren auch hartes Kriegsgebiet. Die Reste der Burg zeugen davon. Wenn das Womo an seinem Platz steht, Strom angeschlossen ist, die SAT-Antenne Radio und TV gefunden hat, geht es mit dem Fahrrad durch das sonnige Land.





Auf Straßen gibt es immer etwas zu entdecken. Das Schild am Weg macht mich neugierig. Googlemaps am Smartphone warnt zwar vor großer Steigung, doch die Entfernung von 15 Kilometern ist mit vollem Akku leicht zu schaffen.





Hinter dem Eisenbahnviadukt lockt oben im Berg das Objekt meiner Begierde.



Rechts ragt der Felsüberhang in die Fahrbahn, der mit 2,90 Meter Durchfahrthöhe das Dach meines Womos rasiert hätte. Doch für Radfahrer reicht der Platz.



Bis zur Kasse schiebt mich der Bosch-Motor recht komfortabel, doch nach meinem Eintrittsgeld von sieben Euro müssen mich meine müden Füße noch weitere hundert bis zweihundert Meter höher schleppen.




Zwar muss man nicht die Wände hochgehen, doch die gewundenen Wege über Felsgestein sind beschwerlich genug.



Auf dem Felsweg muss man jeden Schritt sicher setzen, der Hügel im Hintergrund erklärt das Schild:

CANIGOU ALT 2784 M



Der mit der Eintrittskarte überreichte "Tourismusführer" bringt das martialische Mordhandwerk bestens zur Geldung,

Es ist ein Tor mit Mörderloch, man kommt kaum mit heilem Kopf  hindurch! Geschosse jeder Art regnen senkrecht über dem Durchgang auf einen herab. Wem doch gelingt hereinzukommen, der gerät in eine tödliche Falle.





Zitat Touristenführer:

Schießschaften - also die offene Mauerpartien - erhalten, sowie die Zinnen - die Mauerteile hinter denen der Soldat sich verstecken kann. Auch die Tärme stehen noch. Dieses Ensemble gibt der Burg Puilaurens ihre so aussagekräftige Silhouette, wenn man sich draußen befindet, und dieses Sicherheitsgefühl, wenn man innen ist. Lauschen Sie der Stille des Windes.






Im Krieg soll es hier ein Massaker in einem engen, schmalen Gang gegeben haben. Der Touristenführer schwärmt:

Hier, so vermutet man, wurden 1637 Männer und Hunde in die Enge getrieben und getötet.



Das war im Französisch-Spanischen Krieg (1635–1659).




Mich interessiert die blutige Geschichte nicht länger. Es geht über die sonnige Straße heim.


Camp Fenouillet




Seit November bewirtschaftet ein Power-Paar das Camp des Randonneurs. Sie haben eine mit Brombeersträuchern verwachsene Landschaft übernommen und in wenigen Monaten jetzt zur Blüte gebracht.




Wir kennen uns seit Jahren. Meine Frau kennt Mariam schon seit Jahrzehnten.




Einige Eindrücke vom Camp mit seinen zahlreichen Übernachtungsplätzen:



Wenn es noch heißer wird, ist das eine Oase.




Dieser Bau hat zwei Stockwerke. In die obere Etage führt eine Holzleiter. Die Häuser der "Eingeborenen" sehen hingen aus, als seien sie für die Ewigkeit gebaut.



Vom Camp aus lassen sich über die ruhige Landstraße, die mich von Prades her gebracht hat, wunderbare Radausflüge unternehmen.




Es geht über Hügel, durch Täler, vorbei an malerischen Dörfern und Burgen.




Die Trophäe am Wegrand kann man vom Auto aus nicht entdecken.



In Prats De-Sournia ist die Höhe erreicht. Dort gibt es einen alten Brunnen mit Trinkwasser. Man bedient ihn mit einem in den Boden eingelassenen Fußschalter. Das muss man aber selbst entdecken, einen Hinweis darauf gibt es nicht.




Wo sind bei der Kirche in Sournia die Fenster? Auch auf der anderen Seite zieht sich das Gemäuer vom Boden bis zum Dach. Die Türen waren verschlossen - leider.




Um zu beweisen, dass auf der Straße vor der Kulisse von Le Vivier auch ein Auto fährt, musste der Autor längere Zeit warten.




Die alte Singer-Reklame wirbt für eine komfortable Nähmaschine, die Kirche ist noch älter.



Der letzte Schrei



Als zynischer Fatalist bleibt einem anonymen Kommentar zum vorigen Blog nur ein Satz anzufügen.


Absatzmärkte für militärische Industrie allein reichen nicht.



Es müssen Männer zwischen 16 und 60 Jahren heiß drauf gemacht werden, Waffen einzusetzen.  Frau Schwarzer titelt ihren Sermon mit gleich drei Fragen.


Wobei es kein Zufall ist, dass an der vordersten Front des Lebens Frauen stehen – und an der vordersten Front des Todes Männer.


Weniger Zufall, eher die Regel: An der vordersten Front des Todes stehen Männer, um für das Leben von Frauen und ihrer Reproduktion zu sterben, Frau Schwarzer.


Soweit meine Fantasie beim Mondschein in Fenouillet



Wie Frau Schwarzer, wie wohl jeder, beschreibt Herr Pirincci Leben in Parallel-Welten.

Vom Frieden geträumt, im Krieg aufgewacht! Sicher werden die müden Krieger irgendwann verhandeln müssen. Aber das wird erst sein, wenn die Helden in Massenpsychose Human- und Militärmaterial bis zur Erschöpfung vernichtet haben.


Sich mit Handgranaten zu zerfetzen, war noch ritterliche Kriegsführung gegenüber Masservernichtung mit ABC-Waffen. Das wird der letzte Schrei. Der letzte Schrei....


Keine Kommentare: